Italiens Asylpolitik: Melonis Modell bricht das Recht

Rechte italienische Regierungschefin wird mit Geflüchteten-Lager in Albanien erneut vor Gericht gestoppt

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
Kurzaufenthalt: Migranten im Hafen von Shengjin in Albanien. Nach Gerichtsbeschluss müssen sie nach Italien gebracht werden.
Kurzaufenthalt: Migranten im Hafen von Shengjin in Albanien. Nach Gerichtsbeschluss müssen sie nach Italien gebracht werden.

Albanien, zweiter Akt. Und der ist praktisch eine Wiederholung des ersten Aktes, der vor noch nicht mal einem Monat »aufgeführt« wurde. Wieder hat das Schiff der italienischen Marine »Libra«, das für 180 Passagiere ausgerichtet ist, eine Reihe von Migranten (diesmal nur acht) in internationalen Gewässern aufgenommen; wieder waren es gesunde Männer aus Ägypten und Bangladesch, wieder wurden sie nach Albanien gebracht, wo die italienische Regierung ein Abschiebelager für die »einfachen Fälle« eingerichtet hat. Wieder stellte sich heraus, dass bei der Aufnahme Fehler gemacht wurden und wieder wurden drei »Gäste« sofort als »verletzlich« eingestuft und direkt nach Italien zurückgebracht. Und scheinbar war man sich der Sache sowieso nicht ganz sicher, denn im Hafen stand schon ein Boot der Küstenwache bereit, um auch die anderen fünf gegebenenfalls sofort nach Italien zu bringen.

Und tatsächlich ... Die Papiere wurden – so will es das Gesetz – an das zuständige Gericht nach Rom geschickt. Das erklärte, dass es nicht zulässig ist, diese Männer festzuhalten und ordnete die sofortige Überführung nach Italien an, wo sie jetzt in einem »normalen« Lager untergebracht sind, wo sie ihren Asylantrag stellen können. Die Begründung des Gerichts ist auch wieder die gleiche: Ägypten und Bangladesch sind keine sicheren Herkunftsländer, weil sie nicht in allen Landesteilen die Sicherheit aller Bürger vor Diskriminierung gewährleisten, wie es der Europäische Gerichtshof am 4. Oktober festgelegt hat. Und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die italienische Regierung kürzlich eine Verordnung erlassen hat, in der gerade diese beiden Länder als »sicher« eingestuft wurden. Jetzt hat das römische Gericht die Akten direkt an den EuGH mit der Bitte übermittelt, die Kontroverse zu klären.

Die Rede von den »kommunistischen Richtern«

Und wie schon im Oktober gab es auch diesmal in Italien enorme Polemiken. Wieder war von »kommunistischen Richtern« die Rede, wieder hieß es, dass die Richter nicht das Recht haben, die Regierung »offen anzugreifen«. »Ein weiteres politisches Urteil, das sich nicht gegen die Regierung, sondern gegen die Italiener und ihre Sicherheit richtet. Die Regierung und das Parlament haben das Recht, darauf zu reagieren, um die Bürger zu schützen und werden das auch tun«, so Matteo Salvini, Chef der »Lega« und stellvertretender Ministerpräsident.

Und noch jemand reagierte »ungehalten«: Elon Musk, enger Vertrauter von Donald Trump und demnächst auch Mitglied der US-amerikanischen Regierung, forderte Italien auf, »diese Richter rauszuschmeißen«. Seltsamerweise kam von Frau Meloni und den Ihren keine Reaktion, wo man sich doch sonst immer auf die eigene Souveränität beruft und sich jede Einmischung von außen verbittet ...

Nun kann man sich fragen: warum das Ganze? Der Regierung war von vornherein klar, dass es so kommen würde. »Diese Exekutive setzt auf Zuspitzung und Spaltung«, sagt Pierluigi Bersani, ehemaliger Vorsitzender der Demokratischen Partei. »Man schafft Feindbilder. Im Augenblick sind es die Richter, wie schon zu Zeiten von Silvio Berlusconi. Aber da sind zum Beispiel auch die linken Studenten, die Matteo Salvini kürzlich als ›rote Zecken‹ bezeichnet hat. Oder die gesamte Opposition, die Frau Meloni ›Kaviar-Linke‹ nennt.« Und wenn man das Land immer mehr spaltet, so meint Pierluigi Bersani, der innerhalb der Opposition eine Art »Vordenker-Rolle« innehat, wird das Klima immer unsachlicher und bringt man die Leute dazu, immer radikaler zu werden und sich nicht wie denkende Bürger zu verhalten, sondern eher wie Fußballfans.

Generalstreik unter dem Motto »Jetzt reicht’s!«

Außerdem, so meint man in der Opposition, ist auch der Zeitpunkt nicht zufällig gewählt. In diesen Tagen wird in Italien über das neue Haushaltsgesetz diskutiert, das keines der Versprechen einhält, die die Regierung in diesen zwei Jahren immer wieder gemacht hat.

Zwei der drei großen Gewerkschaften (CGIL und UIL) haben für den 17. November einen Generalstreik einberufen. Das Motto: »Jetzt reicht’s! Für eine andere Wirtschafts- und Sozialpolitik, die nicht nur möglich, sondern auch notwendig und dringend ist.« Auch hier hat die Regierung gleich extrem harte Geschütze aufgefahren: Die Gewerkschaften, so wieder Matteo Salvini, nehmen die Bürger als Geiseln und hindern sie daran, ihrer Arbeit nachzugehen.

Was die »Operation Albanien« betrifft, so hat die Demokratische Partei jetzt eine Klage beim Rechnungshof wegen »Verschwendung öffentlicher Gelder« eingereicht. Die Regierung hat daraufhin schon mal 50 der 220 Polizisten abgezogen, die in Albanien zwei gähnend leere Abschiebelager bewachen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -