Atomwaffen gegen Atomwaffen

Die Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel nehmen zu – und könnten zu nuklearem Wettrüsten führen

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Spannungen zwischen den beiden koreanischen Staaten wachsen weiter.
Die Spannungen zwischen den beiden koreanischen Staaten wachsen weiter.

Lauter kann Säbelrasseln kaum sein: Kim Jong-un, Diktator Nordkoreas, hat sein Militär dazu aufgerufen, »alle Anstrengungen auf die Vollendung der Kriegsvorbereitungen« zu fokussieren. Dies hat Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtet. Die koreanische Halbinsel sei heutzutage der »größte Krisenherd der Welt«. Sofern zwischen der liberalen Demokratie Südkorea und dem Einparteienstaat Nordkorea tatsächlich wieder ein Krieg ausbrechen sollte, will der Norden offenbar als Erster zuschlagen.

Auch Yoon Suk-yeol, seit zweieinhalb Jahren Präsident Südkoreas, hat wiederholt signalisiert, dass er sich zumindest so präsentieren will, als wäre er für einen Krieg bereit. Die Zahl der Militärmanöver mit dem strategischen Partner USA sowie Japan hat sich in Yoons Amtszeit deutlich erhöht. Auch Südkorea rüstet seit Jahren auf.

Spannungen nicht nur auf der Halbinsel

Die angespannten Beziehungen zwischen den beiden Staaten offenbaren sich zudem im Ukraine-Krieg. Nachdem Russland für seinen Angriff auf die Ukraine ab Februar 2022 mit schweren internationalen Sanktionen belegt wurde, haben sich Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Kim diplomatisch angenähert. Nordkorea unterzeichnete zuletzt gar einen Verteidigungspakt mit Russland.

Während westliche Länder die Ukraine militärisch unterstützen, ist Nordkorea ein bedeutender Partner in Russlands Angriffskrieg. Schon länger wird Munition an Russland geliefert. Die »Financial Times« berichtet unter Berufung auf ungenannte Quellen, dass Nordkorea auch schwerste Artilleriegeschütze nach Russland geliefert habe. Zuletzt zeigten Geheimdienstbilder, dass Nordkorea sogar militärisches Personal nach Russland geschickt hat. Ob es sich dabei um Soldaten oder logistische Hilfsarbeiter handelt, ist bislang umstritten. Südkoreas Präsident Yoon hat daraufhin angedroht, künftig statt humanitärer Hilfe Waffen an die Ukraine zu schicken.

Für so einen Fall hat aber wiederum Russlands Regierung damit gedroht, Nordkorea stärker zu unterstützen – ein Szenario, das man in Südkorea tunlichst vermeiden will. Über Atomwaffen verfügt Nordkorea bereits. Weitere russische Hilfe – etwa für Satelliten oder eine generelle Modernisierung des Militärs – könnte die Gefahr einer Eskalation auf der Halbinsel erneut erhöhen.

»Für Südkoreas Überleben ist die nukleare Bewaffnung möglicherweise der einzige Weg, der uns bleibt.«

Han Ki-ho Ex-General und Militärexperte der Regierungspartei

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen debattiert man auch in Südkorea längst, ob das Land seine Verteidigung nicht grundsätzlich verstärken sollte: nämlich in Gestalt eigener Atomwaffen. Bisher befindet sich Südkorea unter dem nuklearen Schutzschild der USA. Doch mit der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten könnte sich hier einiges ändern. Als Trump von 2016 bis 2020 US-Präsident war, forderte er mehrere Staaten dazu auf, einen höheren Anteil ihrer Verteidigung selbst zu schultern.

Zwei Drittel der Südkoreaner wollen Atomwaffen

Falls er dies erneut fordern sollte, gilt es zumindest unter Südkoreas regierenden Konservativen als Chance. So erklärten mehrere Politiker der People Power Party vergangene Woche, Südkorea solle dem Ziel, Zugang zu eigenen Atomwaffen zu erhalten, verstärkt nachgehen. Der pensionierte Drei-Sterne-General Han Ki-ho, der als führender Militärexperte der Regierungspartei gilt, sagte gar: »Für Südkoreas Überleben ist die nukleare Bewaffnung möglicherweise der einzige Weg, der uns bleibt.«

Diese Haltung wird nicht überall geteilt. Moon Chung-in, Politikprofessor der Yonsei-Universität in Seoul und einst Berater liberaler Vorgängerregierungen, sieht ein atomar aufgerüstetes Südkorea als »Pfad zu einer Katastrophe«. Wegen internationaler Verpflichtungen sei Südkorea nur zur friedlichen Nutzung der Atomkraft berechtigt. »So würde Südkorea hart sanktioniert werden. Noch mehr besorgt mich aber, dass dann ein nuklearer Dominoeffekt eintreten könnte.«

Auch Japan und Taiwan könnten sich dann um eigene Atomwaffen bemühen. »Dies wiederum könnte Chinas Atomwaffen auf eine Weise ausrichten, die uns nicht gefällt«, so Moon. Die Mehrheitsmeinung vertritt Moon Chung-in derzeit aber nicht. Laut einer Umfrage aus dem vergangenen Sommer befürworten rund zwei Drittel der Menschen in Südkorea die nukleare Bewaffnung des Landes.

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