• Berlin
  • Bündnis Sahra Wagenknecht

Via BSW von der vierten in die erste Liga

Oliver Ruhnert, Geschäftsführer des 1. FC Union Berlin, tritt in der Hauptstadt bei der Bundestagswahl an

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Vom Spitzensport zum Spitzenkandidaten: BSW-Mann Oliver Ruhnert auf einer Zuschauertribüne im Fußballstation an der Alten Försterei
Vom Spitzensport zum Spitzenkandidaten: BSW-Mann Oliver Ruhnert auf einer Zuschauertribüne im Fußballstation an der Alten Försterei

Ob etwas dran ist an den Gerüchten, dass Sahra Wagenknecht bei der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar im Bezirk Lichtenberg antritt? Darauf angesprochen, zeigt der BSW-Landesvorsitzende Alexander King bis Dienstag ein perfektes Pokergesicht und sagt, dass er dazu nichts sagt, dass er überhaupt keine Namen nennen werde. Dann am Dienstag im Sprechsaal im Bezirk Mitte der Pressetermin, bei dem das Geheimnis gelüftet und die Personalvorschläge für die ersten vier Plätze auf der Landesliste vorgestellt werden sollen. Zwei Frauen und zwei Männer sitzen bei diesem Termin links neben Alexander King. Es sind die vier Kandidaten in spe – Sahra Wagenknecht ist nicht darunter.

Spitzenkandidat des Berliner BSW soll Oliver Ruhnert werden. Er ist Geschäftsführer beim Fußball-Erstligisten 1. FC Union Berlin. Das ist bekanntlich ein Profi-Club. Politisch spielt Ruhnert derzeit noch in der vierten Liga auf der Ebene der Städte und Gemeinden. Er ist Ratsmitglied in seiner nordrhein-westfälischen Heimatstadt Iserlohn. Für die Linkspartei hat er 2009 damit angefangen und stand auch schon mit Sahra Wagenknecht gemeinsam auf der Bühne, als die ebenfalls noch in der Linken war. Nun hat Wagenknecht im Januar ihre eigene Partei aufgemacht und Ruhnert gehört zu denen, die ihr gefolgt sind.

»Die Frage der Besetzung der Wahlkreise ist noch nicht abschließend geklärt.«

Alexander King BSW-Landeschef

Die finanzielle Ausstattung der Kommunen durch den Bund reiche nicht mehr aus, beklagt Ruhnert im Saal, ohne auf einen Sprechzettel zu schauen. Wenn man nichts dagegen unternehme, werde eine Partei gewählt, die man nicht wolle, die aber eine Lücke ausfülle, sagt Ruhnert über die AfD, ohne die drei Buchstaben auszusprechen. »Meine Alternative ist das BSW.«

Auf Listenplatz zwei soll die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen stehen. Sie kommt aus dem Ruhrpott »tief im Westen«, wie sie sagt, also ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen. 1975 in Duisburg geboren und seit 2005 im Bundestag, hatte sie ihren Wahlkreis als Linke in Bochum. Aber Berlin sei ihre Wahlheimat, sagt Dağdelen, die von Alexander King als »von manchen gefürchtete Außenpolitikerin« vorgestellt wird.

Ihre beiden Söhne seien in Berlin geboren, spielen hier im Verein Schach und seien Berliner Schachmeister, erklärt die Abgeordnete. Dass der scheidende US-Präsident Joe Biden der Ukraine noch die Freigabe erteilt habe, von seinem Staat gelieferte Raketen bis tief nach Russland hinein abzuschießen, nennt Dağdelen eine »gefährliche Eskalation«. Genauso sieht sie die angekündigte deutsche Bereitschaft, der Ukraine nun doch die weitreichenden Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen, mit denen Ziele in Moskau erreicht werden könnten. »Man beendet diesen Krieg nicht mit immer neuen Waffen«, meint die 49-Jährige. Man müsse statt Waffen Diplomaten schicken, damit das Sterben in der Ukraine endlich aufhöre. Außerdem tritt Dağdelen dafür ein, die Rüstungsexporte nach Israel zu stoppen und einen Waffenstillstand für den Gazastreifen auszuhandeln.

Auf den Listenplätzen drei und vier sollen dann gebürtige Berliner folgen, genauer gesagt, gebürtige Ostberliner: Der eine ist Norman Wolf, der sich in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg mit Kollegen von der Linken abspaltete und so am 12. Februar bundesweit der erste BSW-Fraktionschef wurde.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Die andere ist Josephine Thyrêt, gelernte Krankenschwester aus dem Bezirk Pankow. Sie wurde im Oktober ohne Vorwarnung als Vizevorsitzende des Aufsichtsrats der kommunalen Vivantes-Kliniken abgesägt. Das löste Spekulationen aus, ob das mit ihrem BSW-Engagement zusammenhänge und somit politisch motiviert war. Nach wie vor ist Thyrêt jedoch Betriebsratschefin in dem Krankenhauskonzern, der 19 000 Beschäftigte zählt – und damit der größte seiner Art in Deutschland ist. Thyrêt hat nach eigenen Angaben eine Petition gegen die umstrittene Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg gebracht. 80 000 Unterschriften sind dabei zusammengekommen. 60 Kliniken mussten bereits aufgeben, mit 350 bis 400 weiteren Schließungen müsse gerechnet werden, wenn die Reform nicht gestoppt wird, sagt Thyrêt.

Die vier Kandidaten seien »in enger Abstimmung mit Sahra Wagenknecht ausgewählt« worden, versichert Alexander King, der mit Thyrêt die Doppelspitze im Landesverband bildet. Gemessen am BSW-Ergebnis bei der Europawahl im Juni dürfte der Landesverband Berlin auf drei Bundestagsmandate hoffen, hat King ausgerechnet. In den Umfragen steht das BSW derzeit bundesweit zwischen fünf und acht Prozent.

Nominiert werden soll die BSW-Landesliste am 8. Dezember bei einem Parteitag im Rathaus Mitte. »Die Frage der Besetzung der Wahlkreise ist noch nicht abschließend geklärt«, antwortet King am Dienstag auf die Frage, ob Dağdelen die BSW-Direktkandidatin im Bezirk Treptow-Köpenick sein werde und so dort auf ihren alten Genossen Gregor Gysi treffen würde. »Demnächst mehr dazu, heute nicht«, wehrt King Nachfragen ab und macht erneut das Gesicht eines Pokerspielers, der sich nicht anmerken lässt, ob er blufft.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.