BSW in Sachsen: Ein Anschein von Querfront

In Sachsen will das BSW einen »anderen Stil« im Umgang mit der AfD pflegen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Fraktionschefs Jörg Urban (AfD) und Sabine Zimmermann (BSW), hier mit CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer
Die Fraktionschefs Jörg Urban (AfD) und Sabine Zimmermann (BSW), hier mit CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer

Am 11. November kam der Stadtrat von Chemnitz zu einer Sondersitzung zusammen. Auf der Tagesordnung stand die Schließung von Kindertagesstätten, die derzeit in der sächsischen Stadt für Wirbel sorgt. Die Initiative für die Sondersitzung ging von der achtköpfigen Ratsfraktion des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) aus. Weil eine außerordentliche Zusammenkunft des Stadtparlaments aber von mindestens zwölf Abgeordneten beantragt werden muss, warb man bei anderen Fraktionen. Die meisten lehnten ab, nur sieben der 15 AfD-Abgeordneten unterschrieben den Antrag. Damit hätten, so die lokale »Freie Presse«, BSW und AfD »erstmals gemeinsame Sache« gemacht.

In der sächsischen Politik war so etwas bisher die absolute Ausnahme. Im Landtag war die AfD-Fraktion in den vergangenen Wahlperioden isoliert. Auf kommunaler Ebene wurde das Distanzgebot von CDU-Vertretern zwar immer mal wieder ignoriert. Das sorgte aber allenfalls für Löcher in der »Brandmauer«.

Seit den Wahlen in diesem Jahr bricht diese indes zusehends in sich zusammen, und mitverantwortlich ist nicht zuletzt das in beachtlicher Stärke neu in die Parlamente eingezogene BSW. Für ein erstes Aufhorchen sorgte, dass dessen Abgeordnete im Landtag einem AfD-Antrag für einen Untersuchungsausschuss zu Corona zustimmten, und zwar während der laufenden Sondierungen über eine Koalition mit CDU und SPD. BSW-Fraktionschefin Sabine Zimmermann begründete den Schritt damit, dass ein solcher Ausschuss ein Minderheitenrecht sei, was freilich auch bei ausreichend Enthaltungen garantiert gewesen wäre.

Anfang der Woche machte die BSW-Fraktion dann indes auch aus inhaltlichen Gründen gemeinsame Sache mit der AfD. Diese hatte einen Antrag gestellt, der sich gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland richtete. Sachsen, so die Forderung, solle sich beim Bund dafür einsetzen, dass darauf verzichtet werde. Es ist eine Position, die auch andere Fraktionen vertreten. Die Linke hatte sogar einen inhaltlich ähnlichen eigenen Antrag eingebracht, dann aber darauf verzichtet, ihn auf die Tagesordnung setzen zu lassen. Hätten AfD und BSW dem Antrag zugestimmt, hätte dieser im aktuellen Landtag eine Mehrheit gehabt. Die AfD sei aber »keine Friedenspartei«, sagte Landeschef Stefan Hartmann vorab unter Verweis auf deren Eintreten für die Wehrpflicht und teilweise Zustimmung zum 100-Milliarden-Rüstungspaket. Er fügte hinzu: »Wenn Faschisten sich als Friedensengel gebärden, sollten Antifaschisten ihnen nicht auf den Leim gehen.«

Anders das BSW. Fraktionschefin Zimmermann bezeichnete das AfD-Papier zwar als schlechten Antrag, der zudem aus dem Wahlprogramm ihrer Partei abgeschrieben sei. Dennoch sei es wichtig, über das Thema zu reden. Dabei blieb es nicht: Bis auf eine Enthaltung stimmten alle BSW-Abgeordneten dem Antrag zu.

Sie folgen damit einer Linie, die bereits vor der Wahl angekündigt worden war. Jörg Scheibe, Ko-Landeschef des BSW und inzwischen Vizepräsident des Landtags, hatte schon im Sommer gegenüber »nd« angekündigt, man werde mit der AfD zwar keine Bündnisse eingehen und »auch keinen Ministerpräsidenten von der AfD wählen«. Allerdings sei Zusammenarbeit in Sachfragen denkbar, falls beide Parteien in der Opposition landeten: »Eine Brandmauer werden wir definitiv nicht errichten.«

Zimmermann, die bis 2021 für Die Linke im Bundestag saß, spricht jetzt von einem »anderen Stil« im Umgang mit der AfD. Sie merkt an, die bisherige pauschale Ablehnung aller ihrer Anträge habe die Partei erst »hochgeschrieben«. Auch andere Abgeordnete der Fraktion schätzen unter Hinweis auf die noch immer steigenden Wahlergebnisse der AfD ein, dass der bisherige Ausgrenzungskurs gescheitert sei. Man wolle Anträge »in der Sache bewerten und nicht anhand des Einreichers«, heißt es. Anfragen des »nd« an die Landespartei, welche Prämissen für den Umgang mit AfD-Anträgen im Landtag und den Kommunen oder für eine eventuelle gemeinsame Mehrheitsfindung gelten, blieben bis zum Donnerstagnachmittag unbeantwortet.

Das BSW praktiziert freilich punktuelle Schulterschlüsse nicht nur mit der AfD. Für Aufsehen sorgte ein Auftritt des Landtagsabgeordneten Jens Hentschel-Thöricht, früher Kreistagsabgeordneter der Linken, bei einer Kundgebung in Görlitz, die sich unter anderem gegen den möglichen Umbau des dortigen Schienenfahrzeugherstellers Alstom zu einem Rüstungsbetrieb richtete. Zu der Veranstaltung hatte neben dem BSW das »Bündnis Oberlausitz« aufgerufen, eine Regionalgruppe der rechtsextremen Splitterpartei Freie Sachsen. Ein weiterer Redner war Marcus Fuchs, Cheforganisator der »Querdenken«-Proteste und Kreistagskandidat der Freien Sachsen. Die BSW-Landesführung äußerte sich anschließend zerknirscht. Man grenze sich »ganz klar von den Freien Sachsen ab, weil es sich um Nazis handelt«, sagte Zimmermann. Sie fügte aber an, dennoch wolle man »unsere Meinung sagen«.

In anderen Fraktionen bewertet man den BSW-Kurs bestenfalls als unbedarft, womöglich als fahrlässig. Nach Ansicht des Grünen-Politikers Valentin Lippmann zeige die Partei, dass sie »ganz grundsätzlich Abgrenzung nicht verstanden hat oder verstehen will«. Michael Nattke, Geschäftsführer des Kulturbüros Sachsen, scheint zwar bereit, dem neu gegründeten BSW noch Kredit einzuräumen. Man wolle sich in den nächsten Monaten genau anschauen, in welche Richtung sich die Partei entwickle, sagte er »nd«. Ihr bisheriges Handeln mit Blick auf die »vermeintliche Zusammenarbeit mit rechtsextremen Parteien« sei allerdings »besorgniserregend«.

»Wenn Faschisten sich als Friedensengel gebärden, sollten Antifaschisten ihnen nicht auf den Leim gehen.«

Stefan Hartmann Landeschef Die Linke
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