- Kommentare
- Israel
»Haaretz«-Boykott: Methoden eines Autokraten
Cyrus Salimi-Asl zum Boykott der israelischen Zeitung »Haaretz«
Wenn eine Regierung eine Tageszeitung boykottiert und sanktioniert, weil sie die Legitimität des Staates infrage stelle, wittert der Europäer hinter der Repression schnell die Hände einer orientalischen Autokratie. Genau das ist nun in der angeblich »einzigen Demokratie im Nahen Osten« passiert, wo Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die linksliberale Tageszeitung »Haaretz« mit einem Bann belegte: keine Regierungsanzeigen mehr, keine Abos staatlicher Behörden, keine Interviews gegenüber Haaretz-Journalisten. Unliebsame Berichte, Kommentare und Äußerungen hätten für Netanjahu das Fass zum Überlaufen gebracht.
Die Regierung wollte das immer wieder mit regierungskritischen Berichten auffallende Blatt schon längst an die Leine nehmen. Der Kommunikationsminister hat diesen Vorschlag nun seinem Chef vorgelegt, und dieser nickte ab. Der Regierung missfielen insbesondere jüngste Äußerungen von Haaretz-Verleger Amos Schocken, weil der die für viele Israelis unannehmbare Formulierung »palästinensische Freiheitskämpfer« wählte, die Vorgänge im Gazastreifen und im Westjordanland als »Nakba« bezeichnete und sogar Sanktionen gegen Israel forderte.
Der Versuch der rechten israelischen Regierung, den öffentlichen Diskurs über den brutalen Krieg im Gazastreifen und im Libanon zu kontrollieren, wird nicht gelingen. Es reicht nicht aus, die Büros des von Katar finanzierten Fernsehkanals Al-Jazeera in Israel und im Westjordanland zu schließen oder »Haaretz« zu bestrafen, um an der Heimatfront für Geschlossenheit zu sorgen. Dafür gibt es zu viele widerständige Stimmen, die sich auch im Internet Gehör verschaffen und die Regierungspropaganda als das entlarven, was sie häufig ist: Verschleierung der Fakten bis hin zu dreister Lüge.
Die Erzählung des »gerechten Kriegs« lässt sich nicht mehr aufrechterhalten, hat zu viele Brüche, die in Form von Massakern an der Zivilbevölkerung im Gazastreifen oder dem ungezielten Explodierenlassen von Pagern im Libanon wie offene Wunden klaffen. »Haaretz« kommentierte die Entscheidung der Regierung sehr treffend: »Wie seine Freunde Putin, Erdoğan und Orbán versucht auch Netanjahu, eine kritische, unabhängige Zeitung zum Schweigen zu bringen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.