Der stille Genozid in Westpapua

Lakshmi Thevasagayam über die indonesische Kolonialherrschaft im Westen Papua-Neuguineas

Proteste gegen die indonesische Herrschaft in Westpapua, aufgenommen im August 2019
Proteste gegen die indonesische Herrschaft in Westpapua, aufgenommen im August 2019

Ein international stärker werdender Faschismus sorgt vor allem für eins: Ablenkung. Forderungen, die an Absurdität und Menschenverachtung kaum zu übertreffen sind – KI-Bilder von »Trump Gaza« oder die deutsche Diskussion, der rechtsextremen israelischen Regierung nach ihrem Bruch des Waffenstillstandsabkommens weiter Waffen zu schicken – lassen die sozialen Probleme im eigenen Land in den Hintergrund treten. Sie verschieben zudem die Grenzen des Sagbaren ins Ultrarechte und zwingen progressive Kräfte, sich daran abzuarbeiten – was wir auch müssen. Allerdings ist es ebenso unsere Aufgabe, die öffentliche Aufmerksamkeit auf »unsere« Themen zu verschieben.

Viele Befreiungsbewegungen in der Welt erleben einen Genozid und Ökozid, werden zum Schweigen gebracht, kriegen keine Aufmerksamkeit der Mainstream-Medien und werden von kapitalistischen Konzernen unterdrückt. Zum Beispiel in Westpapua. Das im Westen von Papua-Neuguinea liegende Gebiet gehört indigenen Stämmen, die ihre eigene Kultur und Sprache haben und seit 1963 einen stillen Genozid erleiden. Der Ressourcenreichtum von Westpapua ist zum großen Verhängnis für die Menschen vor Ort geworden: 1949 erkannte die niederländische Kolonialmacht die Unabhängigkeit Indonesiens an, allerdings ohne Westpapua zu berücksichtigen. Ihnen wurde spätere Unabhängigkeit versprochen – die bis heute nicht kam. Stattdessen wurde auf Druck der USA 1962 das »New York Agreement« zwischen Indonesien und den Niederlanden ohne Beteiligung Westpapuas beschlossen, dass sieben Jahre später ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten werden sollte.

Lakshmi Thevasagayam

Lakshmi Thevasagayam ist Tochter von Eelam-Tamilen, Medizinerin und Medientrainerin. Sie beschäftigt sich mit Klimagerechtigkeit, Antifaschismus und Dekolonisierung.

Das kam auch. Abstimmen aber durften nicht alle, sondern nur 1025 ausgewählte Repräsentant*innen – etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung–, die unter massivem Druck für die Eingliederung in den indonesischen Staat votierten. Diese Farce, auch »Act of No Choice« genannt, führte zu der kolonialen Kontrolle von Westpapua durch Indonesien. Seitdem sollen über 500 000 Menschen ermordet worden sein. Erst im vergangenen Jahr ging ein Video viral, das zeigte, wie ein Indigener brutal von indonesischen Soldaten zugerichtet wurde.

Die indonesische Vorherrschaft öffnete Tor und Tür für internationale Großkonzerne, die bis heute Indigene von ihren Ländern vertreiben, den Genozid unterstützen, an ihm verdienen und das Land verschmutzen. Die Mangrovenwälder im Süden weisen große Erdgasreserven auf, die von British Petroleum ausgebeutet werden. Tausende Hektar tropischer Wald fällt dem Holzhandel und Bau von Palmölplantagen zum Opfer. Die größte Goldmine der Welt befindet sich ebenfalls auf dem Gebiet. Sie produziert täglich giftigen Abfall, der tonnenweise in der Umgebung abgeladen wird.

Der Konzern Aurubis profitiert ebenfalls von den Rohstoffvorkommen in Westpapua. Aurubis ist Europas größter Produzent von Kupfer mit Sitz im Hamburger Hafen. Von dort wird auch Kriegsgerät aus deutscher Produktion an das indonesische Militär verschifft. Für Gerechtigkeit vor Ort kämpft die Gruppe Free West Papua Hamburg. Westpapua ist also nicht so weit weg, wie wir denken.

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