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Der Rheinmetall-Deal spaltet den BVB
Die umstrittene Zusammenarbeit mit dem Rüstungskonzern sorgt weiter für Unruhe in Dortmund
Hans Joachim Watzke ist ein starker Rhetoriker, und so ist es dem Geschäftsführer von Borussia Dortmund am Montag mit Leichtigkeit gelungen, den Ärger vom Wochenende deutlich zu entschärfen. Am Morgen nach einer denkwürdigen Mitgliederversammlung des BVB räumte er zwar ein, dass eine klare Mehrheit der Anwesenden einem Antrag für eine schnellstmögliche Beendigung der lukrativen Partnerschaft mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall zugestimmt habe. »Wenn da 585 Mitglieder (und damit 65 Prozent der Anwesenden, d. Red.) so votiert haben, ist das ein Signal, das ich auch höre«, rief Watzke den Besuchern der Aktionärsversammlung zu, die traditionell einen Tag nach der Mitgliederversammlung stattfindet. Aber: »In einer Gesamtbewertung muss ich auch für mich bewerten, dass das 0,25 Prozent unserer Mitglieder sind.« Eine winzige Minderheit also. Insgesamt gehören dem Klub 218 000 Menschen an, von denen die meisten niemals zu so einer Veranstaltung kommen würden.
Damit klang der Donner vom Vortag plötzlich nur noch wie ein leises Grollen, konkrete Auswirkungen auf den Betrieb hat das Votum ohnehin nicht. Die Geschäftsführung ist nicht an das Abstimmungsergebnis gebunden. Watzke regte vielmehr an, ein Meinungsbild unter allen Mitgliedern abzufragen und wirkte insgesamt keinesfalls unzufrieden mit dem Verlauf der Versammlungen. Ganz im Gegenteil, er war sogar ein bisschen stolz, weil der geschlossene Deal mit Rheinmetall einen Effekt entwickelt hatte, den er sich genau so gewünscht hatte: Es wurde kontrovers, aber sachlich und zivilisiert über ein schwieriges Thema diskutiert, dessen Bedeutung weit über den Fußball hinausreicht.
Das war im Klub als eines der Ziele des Deals genannt worden, der Borussia Dortmund innerhalb von drei Jahren rund 20 Millionen Euro einbringen soll. »Alle Beteiligten haben sehr viel Respekt für die Meinung des anderen gezeigt«, erklärte Watzke in seiner Rückschau auf die Debatte über den Waffenhersteller. Und so wirkte der BVB plötzlich wie ein Ort des Anstands, in dem noch mit Würde gestritten wird, während diese Kulturtechnik da draußen in der Welt mehr und mehr verloren geht.
Welche Position die Klubführung in der Frage von Waffenlieferungen propagiert, ist aber nicht nur durch den Deal klar, sondern auch durch die Botschaft, die schon auf Werbebanden im Stadion zu lesen war: »Taking responsibility for a better world.« Das heißt übersetzt: Die Produktion von Waffen und deren Verkauf an demokratische Nato-Staaten, aber auch an umstrittene Regime, ist gleichzusetzen mit der Übernahme von Verantwortung für eine sich wandelnde Welt. Beworben wird also nicht nur ein Unternehmen, sondern ziemlich unmissverständlich auch eine Politik der Aufrüstung und der Konfliktlösung durch Waffen. Damit fühlen sich einige Mitglieder erkennbar unwohl, was sich nicht zuletzt in Protestaktionen vor der Veranstaltungshalle ausdrückte.
Denn womöglich wagt sich Borussia Dortmund derzeit doch ein wenig zu weit vor auf gesellschaftspolitischem Terrain. Das soziale Engagement insbesondere gegen Antisemitismus, für das Watzke gerade erst mit dem renommierten Leo-Baeck-Preis geehrt wurde, wird von den allermeisten Mitgliedern begrüßt. Als das Fußballunternehmen den Entschluss fasste, ein Sponsoring mit Rheinmetall einzugehen, verschwieg zwar niemand, dass es um sehr viel Geld geht, aber die politische Botschaft dahinter ist viel streitbarer. »Dieses Sponsoring spaltet uns, es spaltet Borussinnen und Borussen«, sagte Jakob Scholz aus der Fan- und Förderabteilung des Klubs zu der Abstimmung über den Rheinmetall-Deal und erklärte: »Die vielen Gespräche der letzten Monate und die Diskussion in unserer Mitgliedschaft zeigen mir: Die Anträge sind ein Ausdruck der Angst, dass die gemeinsam vereinbarten Leitlinien unseres Vereins nur eine begrenzte Wirksamkeit und Halbwertszeit haben.«
Womöglich sind die Dortmunder gerade dabei, sich auf eine neue Art und Weise zu politisieren – angeführt von Watzke, der sich immer wieder zu konservativen Positionen bekennt, die klar rechts von der alten Merkel-CDU liegen. Schon seit gemeinsamen Tagen in der sauerländischen Jungen Union pflegt er eine enge Verbindung zum Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. In den Tagen vor der Mitgliederversammlung wurde zudem bekannt, dass der Watzke-Vertraute Jan-Henrik Guszecki, der Strategiechef des BVB, als Kandidat für das Amt des Dortmunder Oberbürgermeisters infrage kommen soll.
Gruszecki stand einst als Ultra auf der Südtribüne und könnte nun der Mann sein, hinter dem sich lokalpolitisch sowohl die Grünen als auch die CDU vereinen. Gruszecki sagte vor einigen Tagen zu einer möglichen Kandidatur: »Wenn zwei staatstragende Parteien wie CDU und Grüne anfragen, ist es Bürgerpflicht, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen.« Womöglich ist es kein Zufall, dass es sich genau um die beiden großen Parteien handelt, die Waffenlieferungen an die Ukraine besonders klar befürworten.
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