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Fragiler Deal im Libanon
Cyrus Salimi-Asl über die Waffenruhe im Libanon
US-Präsident Joe Biden hat zum Ende seiner Amtszeit noch Visionen, will nun auch eine Waffenruhe im Gazastreifen durchsetzen, schwärmt von einem umfassenden Frieden in der Region, irgendwie. Warum das ausgerechnet jetzt gelingen sollte, bleibt sein Geheimnis. Mit dem Abkommen für ein Ende der Kämpfe im Libanon zwischen den Konfliktparteien Israel und Hisbollah hat sich der scheidende US-Präsident selbst noch ein Abschiedsgeschenk machen wollen, mit dem man ihn in guter Erinnerung behalten soll – als Friedensbringer: So will er vergessen machen, dass seine Regierung Israel beim brutalen Krieg im Gazastreifen gewähren ließ.
Für die israelische Regierung muss es handfeste Gründe geben, warum sie ausgerechnet jetzt einer Vereinbarung für eine Waffenruhe im Libanon zustimmt. Es ist ihr damit gelungen, die beiden Kriegsschauplätze gedanklich voneinander zu lösen. Die sich breit machende Erleichterung über das Ende der Kämpfe im Libanon ist dazu geeignet, dem fortdauernden Krieg im Gazastreifen weniger Aufmerksamkeit zu schenken und sich der Hoffnung hinzugeben, dass auch dort sehr bald eine Feuerpause möglich sei.
Was aber, wenn das Kalkül der israelischen Regierung gerade darin bestünde, mit der Ruhe an der Front im Norden die Kräfte wieder voll auf den Gazastreifen zu konzentrieren? Die Luftangriffe zu intensivieren? Die Vertreibung der Palästinenser aus dem nördlichen Gazastreifen zum Abschluss zu bringen? Und israelischen Siedlern die Grenze zu öffnen, damit diese dort völkerrechtswidrig die ersten Häuser hochziehen?
Die Waffenpause ruht auf schwachen Beinen, der Erfolg entscheidet sich am Boden. Auf die libanesische Armee kommt die schwierige Aufgabe zu, anstelle der nach und nach abrückenden israelischen Soldaten in den Süden des Libanons einzurücken und dafür zu sorgen, dass sich kein Hisbollah-Kämpfer mehr dort aufhält. Sollte das schiefgehen, die reguläre Armee und die Hisbollah womöglich aneinandergeraten, könnte Israels Militär sich ermächtigt fühlen, die Kämpfe wieder aufzunehmen.
Die noch einzusetzende fünfköpfige Beobachtermission, die die Einhaltung der Vereinbarungen überwachen soll, braucht massive politische Unterstützung durch die Garanten dieses Deals: die USA und Frankreich. Auch die EU sollte sich einschalten. Doch alle drei Möchtegern-Friedensstifter haben gemein, dass sie politisch schwach und im Umbruch sind: Biden ist so gut wie weg, Macron schwer angeschlagen, und die EU bekommt eine neue Kommission und eine neue Außenbeauftragte, deren Prioritäten mutmaßlich woanders liegen. Das sind keine guten Voraussetzungen, um Großes zu reißen.
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