Werbung

Überlastet ins Weihnachtsgeschäft

Mit dem »Make Amazon Pay Day« soll der Konzern zu Tarifverhandlungen gezwungen werden

Ausgeliefert: Dank »Black Friday« sind Beschäftigte des US-Logistikkonzerns Amazon besonders überlastet.
Ausgeliefert: Dank »Black Friday« sind Beschäftigte des US-Logistikkonzerns Amazon besonders überlastet.

Die internationale Gewerkschafts- und Protestbewegung gegen Amazon kommt diesen Freitag zum »Black Friday« nach Deutschland, genauer gesagt: in die hessische Kurstadt Bad Hersfeld mit ihren etwas mehr als 30 000 Einwohner*innen. Am dortigen Logistikstandort werden zum zentralen Aktionstag der globalen Kampagne »Make Amazon Pay Day« rund 1200 streikende Beschäftigte und internationale Gäste erwartet. An sechs weiteren der insgesamt 21 Logistikzentren in Deutschland wird ebenfalls die Arbeit niedergelegt.

Mit den Streiks will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi den Druck für bessere Arbeitsbedingungen erhöhen und den Konzern zu einem Tarifabschluss drängen, sagt Verdi-Bundesvorständin Silke Zimmer auf »nd«-Nachfrage. Sie ist zuständig für den Fachbereich Handel. Konkret fordert sie, dass Amazon sich den im Sommer ausgehandelten Flächentarifverträgen des Einzel- und Versandhandels anschließt. Auch soll der Konzern sich auf einen Tarifvertrag für gute und gesunde Arbeit verpflichten, der die Arbeitsbelastung im Betrieb reduzieren soll. Gemeinsam mit dem globalen Gewerkschaftsdachverband Uni Global Union und dem Zusammenschluss Proggressive International sowie 84 weiteren Organisationen fordert Verdi zudem einen Beitrag des Unternehmens zur Steuer- und Klimagerechtigkeit. Seit Jahren wird Amazon vorgeworfen, Steuerflucht zu begehen.

Amazon ist mit rund 575 Milliarden US-Dollar das nach Umsätzen zweitgrößte Unternehmen der Welt hinter Walmart und befindet sich seit Jahren auf Expansionskurs. Im vergangenen Jahr verbuchte es erneut ein Umsatzwachstum von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch nach Beschäftigungszahlen ist das Unternehmen zum zweitgrößten Konzern aufgestiegen. Ende des Jahres 2023 arbeiteten mehr als 1,52 Millionen Menschen für den Logistikriesen, davon mehr als 36 000 in Deutschland. Neben der Paket- und Logistiksparte verdient der Konzern auch mit Streamingdiensten wie Amazon Prime Video und der Amazon-Cloud AWS Geld.

Dass das Zentrum der globalen Protestbewegung dieses Jahr in Deutschland liegt, hat auch mit der langen Geschichte der gewerkschaftlichen Organisierung vor Ort zu tun. »Wir sind stolz, dass die Hauptaktion in Deutschland stattfindet. Es war das erste Land, in dem bei Amazon für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt wurde«, sagt Adrian Durtschi von der Gewerkschaft Uni Global Union. »2013 fanden die ersten Streiks in Bad Hersfeld und Leipzig statt«, unterstreicht Zimmer von Verdi. Der Betriebsrat in Bad Hersfeld feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Seitdem sind laut Verdi immer mehr Beschäftigte der Gewerkschaft beigetreten.

Mit Blick auf die Erfolge hat Amazon seine Strategie geändert. So versucht das Unternehmen der Gewerkschaft bei den Lohnforderungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zuletzt hatte der Konzern angekündigt, die Stundenlöhne in Deutschland auf 15 Euro zu erhöhen. Hinzu kämen noch Prämien und Zuschläge.

Doch auch darüber hinaus ging der Konzern gegen Gewerkschaftsmitglieder vor. Teilweise seien sie unter Druck gesetzt worden, immer wieder sei man gegen Betriebsräte vorgegangen, kritisiert Verdi. »Wir haben als Gewerkschaften erfahren, dass durch Amazon eine neue Arbeitskultur eingeführt wurde«, sagt Zimmer. Problematisch seien dabei auch rigide Zeiterfassungssysteme und Überwachungspraktiken sowie mangelnde Pausen. »Die Beschäftigten stehen unter Zeitdruck und haben eine enorme Arbeitsbelastung«, kritisiert die Gewerkschafterin.

Gegen einen Tarifabschluss wehrt sich Amazon seit Jahren – nicht nur in Deutschland. »Obwohl Amazon inzwischen schon vielen Forderungen der Gewerkschaft und der Belegschaft nachgeben musste, verweigert das Unternehmen trotzdem weiter einen richtigen Tarifvertrag«, kommentiert Özlem Demirel von der Partei Die Linke die Situation im Konzern auf nd-Anfrage. Als eine der wenigen Europaabgeordneten kommt sie am Freitag nach Bad Hersfeld, um ihre Solidarität mit den streikenden Arbeiter*innen zu bekunden. »Hier begann der Kampf gegen Amazon mit dem weltweit ersten Streik der Gewerkschaft.« Ihre Forderungen nach guten Arbeitsbedingungen und anständigen Löhnen seien mehr als berechtigt.

Nicht nur bei Amazon selbst, auch mit Blick auf die vorgelagerten Lieferdienste, die als Subunternehmen und Subunternehmerketten beauftragt werden, finden zu »Black Friday« Aktionen statt. Dort rufe man zwar bislang nicht zu Streiks auf, aber »wir sind unterwegs, um die vielfach migrantischen Beschäftigten direkt anzusprechen und sie über ihre Rechte aufzuklären«, erzählt Stefan Thyroke von Verdi im Gespräch mit »nd«.

Neben Ausständen in Deutschland, Italien und Spanien finden Proteste etwa in Polen, Frankreich, Belgien, Indien, Mexiko und Kolumbien statt. »Die Proteste auf der ganzen Welt zeigen, dass der Wunsch der Beschäftigten nach Gerechtigkeit nicht aufgehalten werden kann«, unterstreicht Christy Hoffman, Generalsekretärin von Uni Global Union.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -