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- D-Day-Plan der Liberalen
FDP: Die perfekte Planerfüllung
Weil er nicht so vorausschauend arbeiten kann wie die FDP, will Andreas Koristka nicht Kanzler werden. Vorerst
Als eine der größten moralischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland galt bis vor Kurzem die FDP. Doch mit der Veröffentlichung des D-Day-Papiers scheint die Partei das Vertrauen der Menschen zu verspielen, das sie durch ihre lange und beharrliche Arbeit für die deutschen Apotheker und die Glücksspiel-Unternehmen erworben hat.
Aber ist die Empörung berechtigt? Jetzt, da man diese fein und sorgsam durchdachte Powerpoint-Präsentation ansehen kann, muss man nüchtern feststellen, dass die FDP die einzige der Ampel-Parteien war, die einen stringenten politischen Plan verfolgte. Dass es kompliziert ist, solch einen Plan eins zu eins in die Tat umzusetzen, dürfte jedem klar sein der sich schon einmal vorgenommen hat, seinen Keller aufzuräumen.
Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.
Schnell wird aus so einem Projekt, dessen Erledigung in Wochenfrist vorgesehen war, ein endloses Unterfangen. Die FDP hat das Hauptziel ihres Plans, den Bruch der Ampel-Koalition, nur um wenige Tage verfehlt. Mein Keller ist vielleicht 2035 noch nicht aufgeräumt. Dabei wäre letzteres dringend nötig, denn ich vermute in der rechten hinteren Ecke unter zwei Fahrradleichen, fünf Autobatterien und einem leicht reparaturbedürftigen Faltboot (Pouch RZ 85-I) eine Kiste mit Unterlagen, die ich für meine Steuererklärung (Abgabetermin: 31.8.24) benötige.
Ich bewundere jeden, der einen Plan aufstellen und halbwegs befolgen kann. Mir gelingt es manchmal nicht, auf der Straße geradeaus zu laufen, weil mir spontan etwas in den Sinn kommt, für das ich stoppen und wenden muss. Dann laufen andere Passanten mit voller Wucht in mich hinein, weil ihr Plan, schnell von A nach B zu kommen, keine plötzlich stoppenden Mitbürger vorsieht.
Mein Oberkörper ist deshalb von Hämatomen übersät. Von jemand so Planlosem wie mir darf man Deutschland nicht regieren lassen. Deswegen trete ich nicht zur Bundestagswahl an und lehne eine Kanzlerkandidatur entschieden ab – aus Verantwortung gegenüber unserem Land.
Wie gesagt, ich bin unstet und wankelmütig. Auf meine Grundsätze darf man nichts geben. Vielleicht wird man mich also doch bereits in wenigen Jahren mit unvermittelten Richtungsänderungen durchs Kanzleramt gehen sehen. Irgendwann wird dort alles mit Sperrmüll und altem Krempel vollgestellt sein, den ich nicht mehr im Keller untergebracht bekommen habe. Meine Neujahrsansprache wird frühestens zu Ostern des übernächsten Jahres fertig sein, die wichtigsten Staatstermine werde ich in schöner Regelmäßigkeit verschlafen.
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Neue Gesetze wird es schon deshalb nicht geben, weil ich ständig die jeweiligen Dokumente verbummeln werde. An die Inhalte vertraulicher Gespräche mit meinen Koalitionspartnern werde ich mich nicht erinnern können. Nicht aus Bosheit, sondern weil ich vergesslich bin.
Spätestens dann, wenn der Haushalt nicht verabschiedet werden kann, weil mein Hund die Entwürfe gefressen hat, werden sich die Menschen nach der Regierungszeit der FDP und ihren strengen Plänen zurücksehnen.
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