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Berlin: Verwaltungsreform steht auf der Kippe
Weil Bezirke Rechte verlieren sollen: Linke will Zustimmung zu Verfassungsänderung verweigern
Im Endspurt könnte es für Wegners Prestigeobjekt noch gefährlich werden: Aus der Linksfraktion mehrt sich Kritik an den schwarz-roten Plänen für die lang angekündigte Verwaltungsreform. Weil für die Reform eine Verfassungsänderung angestrebt wird, sind die Regierungsfraktionen auf die Opposition angewiesen, um die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Zunächst hatte der »Tagesspiegel« berichtet.
Im Zentrum der Kritik steht eine zuletzt geänderte Passage in dem Gesetzentwurf für die Verwaltungsreform. Wurde zuvor noch davon gesprochen, dass der Senat bei »dringenden Gesamtinteressen« der Stadt in die Kompetenzen der Bezirke eingreifen könne, ist im aktuellen Entwurf nun die Rede von »erheblichen Interessen Berlins«. Dieses »erhebliche« Interesse könne in der individuellen Gesetzgebung verankert werden, so wie es zuletzt beim Schneller-Bauen-Gesetz geschehen ist. Linke-Parlamentarier befürchten nun, dass dem Senat auf diesem Weg ein willkürliches Eingriffsrecht gewährt würde, das tief in die Autonomie der Bezirke eingreifen könnte.
»Was jetzt im Senat vorgelegt wird, öffnet alle Türen, um aufgrund politisch völlig beliebiger ›Bedeutungen‹ Aufgabenbereiche zu verschieben, und ermöglicht, in praktisch alle Bereiche der Bezirke reinzuregieren«, heißt es in einer Stellungnahme der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Hendrikje Klein, die »nd« vorliegt. Damit werde das Gleichgewicht zwischen Land und Bezirken aufgekündigt.
Die Bezirke in Berlin sind keine eigenständigen Kommunen, die Berliner Landesverfassung spricht ihnen als »Selbstverwaltungseinheiten Berlins ohne Rechtspersönlichkeit« allerdings eigene Regelungskompetenzen für lokale Angelegenheiten zu. Weil die Grenzen zwischen Landes- und Bezirksaufgaben aber schwammig definiert sind, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten – dem schon zum geflügelten Wort gewordenen »Behörden-Pingpong«.
Glaubt man Linke-Politikerin Klein, würde die Verwaltungsreform diesen Zustand nicht wie angestrebt beenden, sondern noch verschlimmern: »Im Ergebnis erreicht man damit keine effektivere Verwaltung mit klaren Kompetenzen, sondern programmiert neue Parallelstrukturen, verkompliziert Entscheidungen und verfestigt institutionalisierte Konflikte zwischen den Bezirken und dem Senat«, schreibt sie. Die Änderung bedeute eine »Einführung einer Fachaufsicht durch die Hintertür«.
Regierungsfraktionen und Opposition hatten bei der Verwaltungsreform bislang geräuschlos und weitgehend konsensuell verhandelt. Klein sieht diese Zusammenarbeit jetzt aber gefährdet: »Die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist nicht mehr gegeben, wenn sich Kai Wegner mit diesem Vorschlag durchsetzen will.« Der aktuelle Entwurf sei von den bisherigen Absprachen weit entfernt. Die neuerliche Änderung sei zudem intransparent kommuniziert worden.
Gestorben ist die Verwaltungsreform damit aber noch nicht. Zum einen kann der Senat auch ohne die Oppositionsfraktionen mit einfacher Mehrheit das Landesorganisationsgesetz ändern und so Teile der Verwaltungsreform umsetzen. Zum anderen zeigt Klein Kompromissbereitschaft. »Wir sind weiterhin gesprächsbereit für ein Gesetz, das tatsächlich zu Verbesserungen führt«, schreibt sie. Ähnliche Signale kommen auch von der anderen Seite. »Für uns ist auf jeden Fall die Tür offen, um konstruktiv im Austausch zu sein und ergebnisoffen zu diskutieren«, sagte Stephan Schmidt, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, dem »Tagesspiegel«. Schwarz-Rot will den Gesetzesentwurf noch in diesem Jahr im Abgeordnetenhaus einbringen.
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