Christian Görke: Für Brandenburg bis nach Kasachstan

Die Linke nominiert Ex-Finanzminister Christian Görke als ihren Bundestagskandidaten in der Lausitz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Bleibt fröhlich und hat weder 1989 noch jetzt wirklich ans Aufgeben gedacht: Christian Görke
Bleibt fröhlich und hat weder 1989 noch jetzt wirklich ans Aufgeben gedacht: Christian Görke

Die Linke durchlebt im Moment eine schwere Phase. Ob sie bei der von September auf den 23. Februar vorgezogenen Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde schafft oder wenigstens drei Direktmandate gewinnt, das ist noch die Frage. In den Umfragen steht sie momentan nur bei vier Prozent. Trotzdem herrscht am Mittwochabend beim Kreisverband Lausitz eine geradezu fröhliche Stimmung. Es werden viele Scherze gemacht. Es wird viel miteinander gelacht. 39 von insgesamt über 300 Genossen finden in der Kreisgeschäftsstelle in Cottbus zusammen, um den Abgeordneten Christian Görke nach 2021 ein zweites Mal hier im Bundestagswahlkreis Cottbus und Spree-Neiße zum Direktkandidaten zu bestimmen.

Eine junge Frau ist der Partei erst vor wenigen Tagen beigetreten und müsste schon sechs Wochen dabei sein, um mit entscheiden zu dürfen. Sie schaut darum nur zu. Von den anderen stimmen 37 für Görke. Es gibt keine Gegenstimme, nur eine Enthaltung.

62 Jahre ist der frühere Brandenburger Finanzminister und langjährige Landtagsabgeordnete jetzt alt. Es habe ihn im Frühjahr gesundheitlich heftig durchgeschüttelt, doch zum Glück sei er dank der »Hochleistungsmedizin« inzwischen »fast wieder der Alte«, gesteht Görke, der mittlerweile Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Bundestag ist.

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»Wir haben die Chance, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Wir haben auch die Chance, mindestens drei Wahlkreise zu gewinnen«, zeigt sich Christian Görke so optimistisch, wie ihn alte Weggefährten seit jeher kennen. Dabei weiß er natürlich, wie ernst die Lage ist. Die schwere Niederlage bei der Landtagswahl im September, als die Partei mit knapp drei Prozent der Stimmen aus dem Parlament flog, sei »ein Schlag ins Kontor gewesen«, erinnert der Politiker. »Ich war auch niedergeschlagen, gebe ich ehrlich zu. Aber ich habe an Aufgeben nicht wirklich gedacht.« Wenn das Tal der Tränen durchschritten sei, werde Die Linke auch wieder Erfolge feiern können, sagt Görke. Mut machen ihm eine Eintrittswelle und der jüngste Bundesparteitag in Halle. Schon manche Parteitage habe er als »verlorene Lebenszeit« abhaken müssen, doch dieser stimmte ihn zuversichtlich.

Görke ist ein sympathischer Kumpeltyp, der einst Ende der 80er Jahre als ganz junger Lehrer an einer Cottbuser Schule Sport und Geschichte unterrichtete, bevor er von dort an eine Schule in seiner Heimatstadt Rathenow wechselte. Der 62-Jährige ist noch keine Silberlocke wie Gregor Gysi, aber auch nicht mehr der Jüngste. Er amüsiert sich über die gutmütige Bemerkung eines ebenfalls älteren Genossen: »Je zerknitterter man ist, umso mehr Entfaltungsmöglichkeiten hat man.«

Wenn er von sich selbst spricht, verwendet Christian Görke manchmal schmunzelnd seinen Spitznamen »Chrischi«. Dieser Chrischi verspricht, ihm werde im Wahlkampf und danach kein Weg zu weit sein. Für Brandenburg sei er auch bisher unermüdlich unterwegs gewesen und mehrmals bis nach Kasachstan gereist, legt der Politiker Rechenschaft ab. So weit weg im Osten hatte er sich um kasachisches Erdöl für die PCK-Raffinerie in Schwedt bemüht, nachdem der traditionsreiche Betrieb Anfang 2023 wegen eines verhängten Importverbots für russisches Öl abzuschmieren drohte.

Der Linke-Kreisvorsitzende Christopher Neumann lobt Görke mit den Worten: »Wenn uns der Sturm so richtig ins Gesicht bläst, dann stehst du und sagst: ›Jetzt erst recht!‹« Wenn es nach Görke geht, sollte Deutschland die Mehrwertsteuer auf Bus- und Bahnfahrten streichen und die Stromsteuer senken. Die Frage, wie sich dies finanzieren ließe, könne ein Ex-Finanzminister beantworten – er selbst also. Er kenne sich aus mit dem »Geldadel«, also den Reichen, die man zur Kasse bitten sollte. Hinter Görke an der Wand hängen alte Wahlplakate der Partei – neben dem Klassiker »Nazis raus aus den Köpfen« auch »Teilen macht Spaß: Millionärsteuer!«

Am 19. Dezember will Brandenburgs Linke in Luckenwalde ihre Landesliste für die Bundestagswahl aufstellen. Wenn es nach den Genossen in der Lausitz geht, sollte Christian Görke wieder wie 2021 auf Listenplatz eins stehen. Sie wählen am Mittwochabend ihre Delegierten für Luckenwalde. Erstmals bei so einer Versammlung dabei sein wird Sylvia Graul. Sie spricht bei ihrer Vorstellung am Mittwochabend frei von der Leber weg: »Am meisten bin ich für den Frieden, damit dieser Scheiß Krieg endlich aufhört!«

Das kommt genauso gut an wie Görkes Bericht, dass die SPD einst versucht habe, der Linken in Koalitionsverträgen ein Bekenntnis zur Bundeswehr abzuringen, worauf diese sich aber nicht eingelassen habe. Doch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sei jetzt drauf und dran, die Aufrüstung am Fliegerhorst Holzdorf Hand in Hand mit der SPD umzusetzen, sagt Görke. Ein künftiger Finanzminister Robert Crumbach (BSW) wäre für den Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen zuständig, der den Ausbau von Holzdorf im Auftrag des Bundes ausführen würde, erläutert er.

Crumbach selbst hat mehrfach der Darstellung widersprochen, das BSW sei in den Koalitionsverhandlungen in der Friedensfrage umgekippt. Der Ausbau von Holzdorf sei Sache des Bundes.

Den Bundestagswahlkreis Cottbus/Spree-Neiße dürften unterdessen weder Linke noch BSW gewinnen. Lang ist es her, dass Wolfgang Nešković den Wahlkreis 2009 für die Linkspartei holte. 2021 hatte Görke 8,8 Prozent der Erststimmen erhalten. Es siegte hier damals mit 27,6 Prozent Maja Wallstein (SPD), die nun erneut antritt, mit 1,9 Prozentpunkten Abstand auf Daniel Münschke (AfD). Wallsteins ärgster Konkurrent dürfte auch diesmal der Kandidat der AfD sein, wen immer diese Rechtsaußen-Partei nominiert.

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