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Wie soll die Welt in 50 Jahren aussehen?
Lakshmi Thevasagayam fragt sich, wie die Klimabewegung wieder in die Offensive kommen kann
Die Bundestagswahl steht an, und noch nie in den vergangenen sechs Jahren war die Klimafrage so nebensächlich wie jetzt. Die Klimabewegung, verwöhnt von dem Hoch an Aufmerksamkeit und Mobilisierungsfähigkeit noch vor ein paar Jahren, scheint unfähig, sich zu ordnen. Sie ist gebeutelt von ihrem massiven Imageverlust vor allem durch weiß-elitäre Fridays-for-Future-Strukturen, die sich bis heute nicht geändert haben. Der Aufschrei der Arbeiter*innen, die auf ihrem Arbeitsweg durch Klebeaktionen aufgehalten wurden, haben endlich dafür gesorgt, dass die Letzte Generation einen anderen Kurs einschlägt.
Die Klimabewegung und die Klimafrage haben massiv an Standing verloren. Egal, ob in der Region Valencia gerade ein Jahrhunderthochwasser war oder 2024 Rekordtemperaturen gemessen wurden: Die Ängste vor dem ökonomischen Abstieg durch Aktionen fürs Klima statt für den eigenen Geldbeutel waren nie so präsent wie jetzt – nach Corona und Inflation, inmitten von Kürzungen im Sozialbereich und Milliardeninvestitionen in Rüstung und Militär.
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Diese Ängste werden von der AfD perfekt für ihre Politik missbraucht. Als Reaktion darauf läuft alle Welt zu den Aktionen gegen rechts, weil das angeblich die einzige Möglichkeit sei, das Klima zu retten. Dabei wissen wir ganz genau, dass es die AfD nicht braucht, um klimaschädliche Politik zu machen. Das macht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schon alleine, indem er unnötigerweise Kohle im Rheinland fördern und LNG-Kapazitäten ausbauen lässt.
Lakshmi Thevasagayam ist Tochter von Eelam-Tamilen, Medizinerin und Medientrainerin. Sie beschäftigt sich mit Klimagerechtigkeit, Antifaschismus und Dekolonisierung.
Um tatsächlich Mehrheiten zu erreichen, braucht es eine radikale Imagination statt um sich selbst kreisende Strategiedebatten. Wir müssen wissen, wofür wir stehen. Zu sagen, gegen was wir sind, ist einfach. Sich aber konkret die Welt, unseren Alltag, unser Miteinander, unseren Tagesablauf und unsere Beziehungen zueinander in einer klimagerechteren Welt in 50 Jahren vorzustellen – das ist viel schwieriger.
Wie riecht Sicherheit? Wie schmeckt Frieden? Diese Utopien erfahrbar zu machen und Menschen dafür zu gewinnen, braucht Zugänge zu genau den Menschen, mit denen wir uns das zukünftige Miteinander vorstellen. Wir müssen Vertrauen aufbauen, was nicht innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten funktionieren kann. Das geht nur, wenn wir mit den Marginalisiertesten unserer Gesellschaft arbeiten, ihre Ängste hören und erste Lösungsvorschläge anbieten, damit wir aus der Defensive in die Offensive kommen.
Wenn wir uns für alle ein Zuhause vorstellen, welches bezahlbar und klimagerecht ist, müssen wir an die Türen der Menschen klopfen, die gerade ihre Nebenkosten nicht zahlen können. So wie es die Kampagne »Soziale Wärmewende« gerade tut. Wenn wir uns das Jahr 2074 vorstellen, wo Palästinenser*innen, Ukrainer*innen, Sudaner*innen und Kongoles*innen in einem gerechten Frieden zusammenleben, dann müssen wir uns mit den Geflüchteten zusammentun. Solidarität funktioniert nämlich nicht mit Worten aus der Distanz, sondern nur in koordinierter Aktion zwischen organisierten Gruppen, die gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten.
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