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Kampf um die Königsdisziplin: Droht das Olympia-Aus?

Die Zukunft der Nordischen Kombination bei den Winterspielen ist fraglicher denn je

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 4 Min.
Vinzenz Geiger (v.) ließ beim Weltcup-Auftakt auch den dominanten Norweger Jarl Magnus Riiber (M.) hinter sich – und kritisierte den Weltverband.
Vinzenz Geiger (v.) ließ beim Weltcup-Auftakt auch den dominanten Norweger Jarl Magnus Riiber (M.) hinter sich – und kritisierte den Weltverband.

Nathalie Armbruster war heilfroh, dass auch sie am Freitag im norwegischen Lillehammer endlich in den WM-Winter starten durfte: »Es hat richtig wehgetan, vor dem Fernseher zu sitzen.« Auch wenn die 18-jährige Vorzeigefigur der Nordischen Kombination am vergangenen Wochenende jede Menge Spaß beim Zuschauen aus der Ferne hatte: Schließlich feierten Johannes Rydzek und Vinzenz Geiger beim Weltcup-Auftakt im finnischen Ruka deutsche Siege.

Klingt nach positiven Nachrichten für die Traditionssportart, die mit ihrem Mix aus Skispringen und Skilanglauf einst als Königsdisziplin des gesamten Skisports galt. Inzwischen jedoch kämpft die seit den ersten Winterspielen 1924 in Chamonix vertretene Nordische Kombination um ihre olympische Zukunft. Und die Zeichen stehen nicht besonders gut. In diesem Winter gibt es nur acht Weltcup-Wochenenden für die Männer, weniger waren es zuletzt vor 14 Jahren. Bei den Frauen sieht es noch düsterer aus: In Lillehammer läuft gerade der erste von nur sechs Weltcups.

Nach dem Event in Norwegen folgt eine zweiwöchige Pause. Und im Januar, dem Kernmonat für den Wintersport, geht Mitte des Monats nur in Schonach ein Weltcup über die Bühne, danach erst wieder zum Wechsel in den Februar im österreichischen Seefeld. Warum nur? Eine Absage ist nachvollziehbar: Im italienischen Val die Fiemme sind ein Jahr vor den Winterspielen an gleicher Stelle die Schanzen noch nicht fertig. Das japanische Hakuba winkte aber genauso aus finanziellen Gründen ab wie das als deutscher Ersatzort gehandelte Klingenthal.

Das liefert dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) weitere Munition. IOC-Sportdirektor Kit McConnell kritisiert pauschal die »mangelnde Attraktivität der Sportart«. Und so wurde nicht nur den Kombiniererinnen die erstmalige Aufnahme in das Olympia-Programm 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo verweigert, sondern sogar die Streichung der Männer-Wettbewerbe für die Winterspiele 2030 angedroht. Im Juni 2025 soll die Entscheidung darüber fallen.

Besonders viele Pluspunkte konnten die Winterzweikämpfer bisher nicht sammeln. Der Vorwurf, das seit Jahren immer die gleichen Nationen, Norwegen, Deutschland und Österreich, die Podestplätze unter sich ausmachen, wurde zum Saisonauftakt bestätigt. Zwar stand der jahrelange norwegische Dominator Jarl Magnus Riiber nur in einem von drei Wettbewerben ganz oben. Dafür herrschte das im Skispringen stark verbesserte deutsche Team mit sieben von neun möglichen Podestplätzen in Ruka.

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Die gesamte Gemengelage führt zu einer wachsenden Nervosität in der Kombination – weil der bislang undenkbare olympische Rauswurf auch für die Männer inzwischen möglich erscheint. Ausdruck dessen waren auch die Verbal-Attacken des aktuellen Gesamtweltcup-Spitzenreiters Vinzenz Geiger vor der Saison. Der Olympiasieger aus Oberstdorf kritisierte, dass der Terminplan in Zeiten, in denen die olympische Zukunft der gesamten Sportart auf dem Spiel steht, noch schlechter geworden sei. Der kommende Winter sei die »letzte Chance, uns zu präsentieren«. Bei Instagram ließ sich Geiger sogar zu einem persönlichen Angriff auf Lasse Ottesen, den Renndirektor des Internationalen Skiverbands Fis, hinreißen: »Du warst offenbar extrem beschäftigt – mit Nichtstun.«

Ottesen reagierte angesäuert – gerade in diesen entscheidenden Zeiten wirft öffentliche Kritik einen weiteren Schatten auf die Sportart. Doch Geiger bekam Rückendeckung von seinem prominentesten österreichischen Konkurrenten Johannes Lamparter im Podcast »Ski happens«: »Es gibt Langlauf-Wettbewerbe, wo Schanzen stehen. Warum sind wir da nicht dabei? Es gibt Springen, wo Loipen sind. Warum sind wir da nicht dabei?«

Die Antwort ist trotz teils starker Fernsehquoten zumindest in Deutschland klar: Für viele Ausrichter rechnen sich die Weltcup-Wettbewerbe in der Nordischen Kombination einfach nicht mehr. In anderen Wintersportarten wie Skispringen oder Biathlon ist das ganz anders. Zwar stemmen sich die Kombinierer mit neuen und unberechenbareren Wettkampfformaten wie dem Compact Race gegen diese Tendenz. Zudem bringen sie mit dem ersten Weltcup-Wettbewerb der Frauen mit einem Springen von der Großschanze im kommenden März in Oslo und dem ersten Skifliegen für die männlichen Kombinierer 2026 neue Spannung in den Zirkus.

Aber reicht das? Nicht nur Vinzenz Geiger weiß, dass nur die gesicherte Olympia-Zukunft die Existenz der einstigen Königssportart des Winters garantieren kann: »Ansonsten geht es mit unserem Sport sehr schnell steil bergab.« Die Talfahrt scheint schon begonnen zu haben.

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