Assad-Regime Geschichte: Kämpfer erklären Einnahme von Damaskus

Kämpfer der Gruppe Haiat Tahrir Al-Scham und verbündete Milizen verkündeten am Sonntag die Einnahme der Hauptstadt und die Flucht von Assad

  • Aya Iskandarani
  • Lesedauer: 4 Min.
Syrische Oppositionskämpfer feiern nach dem Zusammenbruch der syrischen Regierung.
Syrische Oppositionskämpfer feiern nach dem Zusammenbruch der syrischen Regierung.

Die Assad-Regierung in Syrien ist offenbar Geschichte: Die islamistischen Kämpfer der Gruppe Haiat Tahrir Al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Milizen verkündeten am Sonntag die Einnahme der Hauptstadt Damaskus und die Flucht von Machthaber Baschar Al-Assad. Nach der »Unterdrückung« unter der mehr als fünf Jahrzehnte währenden Herrschaft von Assads Baath-Partei sei nun »der Beginn einer neuen Ära für Syrien« gekommen, erklärten die islamistischen Kämpfer im Onlinedienst Telegram.

»Der Tyrann Baschar Al-Assad ist geflohen«, erklärten die Kämpfer im Onlinenetzwerk Telegram. Die Kämpfer riefen die ins Ausland geflüchteten Syrer auf, in ein »freies Syrien« zurückzukehren. Bewohner von Damaskus gaben gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, schwere Schüsse gehört zu haben.

Assad habe Syrien über den internationalen Flughafen von Damaskus verlassen, bevor sich die Mitglieder der Streit- und Sicherheitskräfte von dem Gelände zurückgezogen hätten, teilte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, mit. AFP konnte die Angaben zunächst nicht unabhängig bestätigen.

Assads Regierung hatte zuvor bestritten, dass sich die Armee aus Gegenden um Damaskus zurückgezogen hätten. Nach Berichten über die Flucht des Präsidenten erklärte Regierungschef Mohammad Al-Dschalali indes in einem Video im Internetdienst Facebook, er sei bereit zur Kooperation mit »jeder Führung, die das syrische Volk bestimmt«. Er stehe für jegliches Verfahren zur Machtübergabe bereit.

»Dieses Land kann ein normales Land sein, das gute Beziehungen zu seinen Nachbarn und der Welt aufbaut«, sagte Al-Dschalili weiter. Dies liege in den Händen »jeder Führung, die das syrische Volk bestimmt«.

Nach Angaben aus dem Umfeld der libanesischen Hisbollah zog die mit Assad verbündete pro-iranische Miliz ihre Kämpfer aus der syrischen Stadt Homs und den Außenbezirken der Hauptstadt Damaskus ab. Einige von ihnen sollten nach Latakia in Syrien gehen, andere in die Region Hermel im Libanon.

Der Anführer der HTS-Kämpfer wies unterdessen seine Kräfte an, sich nicht den öffentlichen Einrichtungen in der syrischen Hauptstadt Damaskus zu nähern. »Allen militärischen Kräften in der Stadt Damaskus ist es strengstens untersagt, sich öffentlichen Einrichtungen zu nähern, die bis zu ihrer offiziellen Übergabe unter der Aufsicht des ehemaligen Ministerpräsidenten bleiben werden«, erklärte der unter seinem Kampfnamen Abu Mohammad Al-Dscholani bekannte HTS-Anführer bei Telegram. Es sei außerdem verboten, in die Luft zu schießen, fügte er hinzu und benutzte dabei seinen bürgerlichen Namen Ahmad Al-Scharaa.

Die HTS gab auch an, ihre Kämpfer seien in das berüchtigte Saidnaja-Gefängnis am Rande der Hauptstadt eingedrungen und verkündete ein »Ende der Ära der Tyrannei« in der Haftanstalt. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, die Türen des Gefängnisses seien für »Tausende Häftlinge« geöffnet worden, die »während der gesamten Herrschaft des Regimes« vom Sicherheitsapparat gefangen genommen worden seien. Sie erklärte zudem, die syrische Armee und die Sicherheitskräfte hätten den Flughafen der Hauptstadt Damaskus verlassen.

Die rasanten Entwicklungen in Damaskus ereigneten sich nur wenige Stunden, nachdem die HTS-Miliz erklärt hatte, die strategisch wichtige Stadt Homs eingenommen zu haben. Das syrische Verteidigungsministerium hatte zuvor zurückgewiesen, dass Kämpfer die Stadt betreten hätten, und angegeben, dass die Situation dort »sicher und stabil« sei.

Homs liegt etwa 140 Kilometer nördlich der Hauptstadt und war nach Aleppo und Hama die dritte Großstadt, welche die Milizen binnen weniger Tage unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Die Kämpfer hatten nach Jahren des weitgehenden Stillstands im syrischen Bürgerkrieg am 27. November überraschend eine Großoffensive gegen die Regierungstruppen gestartet.

Der syrische Bürgerkrieg hatte 2011 begonnen, nachdem Assad Proteste gegen die Regierung mit Gewalt niederschlagen ließ. Eine halbe Million Menschen wurden getötet und Millionen weitere vertrieben.

Mit der Unterstützung ihrer Verbündeten Russland und Iran erlangte die syrische Regierung 2015 die Kontrolle über weite Teile des Landes zurück. Auch die Großstadt Aleppo eroberte Assad im Jahr 2016 mit Unterstützung der russischen Luftwaffe mittels massiver Bombenangriffe zurück.

Angesichts der Wiederaufnahme der Kämpfe in dem Bürgerkriegsland hatten sich internationale Forderungen nach einer Deeskalation gemehrt. US-Präsident Joe Biden »und sein Team beobachten die außergewöhnlichen Ereignisse in Syrien genau und stehen in ständigem Kontakt mit regionalen Partnern«, erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Sean Savett, am Samstagabend (Ortszeit) in Onlinenetzwerken. AFP

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