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Fasten für den Frieden in der Ukraine
Marion Nawroth aus Bautzen war in Berlin im Hungerstreik, um vor Taurus-Marschflugkörpern zu warnen
»Ich hoffe und zähle auf Sie, für unser aller Wohl, für unser Volk, für unsere Heimat und für ein stolzes friedliches Europa, welches tief in der christlichen Tradition der Nächstenliebe verwurzelt ist.« Mit diesem Appell wandte sich Marion Nawroth aus Bautzen zuletzt in einem offenen Brief noch einmal an die Bundestagsabgeordneten und an Kanzler Olaf Scholz (SPD). Am 17. November ist die Frau aus dem sächsischen Bautzen am Berliner Dom in einen Hungerstreik getreten.
Ihr Ziel sei es gewesen, so erzählt sie dem »nd« am Dienstag, dass jene Bundestagsabgeordneten, die laut nach der Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine rufen, »durch die Worte einer Mutter angerührt werden«. Die 68-Jährige ist Mutter und Großmutter. Sie hat vier Kinder und vier Enkel. Sie denkt voller Mitleid an die jungen Männer, die als Soldaten an der Front sterben müssen. Und sie zeigt Verständnis für jeden, der desertiert. Mit ihrem Hungerstreik wollte Nawroth ein deutliches Zeichen setzen, »gegen die allgegenwärtigen und medial aufgeputschten Forderungen nach Aufrüstung, großzügigen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, den unreflektierten und unbedachten Ruf nach Taurus und nach einem ›Siegfrieden‹, dem es egal ist, wie groß der Kollateralschaden an Menschen und verbrannter sowie uranverseuchter Heimat ist«.
Wochenlang nur Wasser und Tee
Ursprünglich hatte Nawroth vor, ihr Zelt am Brandenburger Tor aufzuschlagen. Doch da sie als Einzelperson keine Versammlung habe anmelden dürfen, sei sie froh gewesen, von einem Friedenscamp am Berliner Dom aufgenommen worden zu sein, sagt sie. Der Plan der 68-Jährigen war, dort bis zum vergangenen Sonntag auszuharren. Doch da das eigentlich bis Jahresende genehmigte Camp von der Polizei nicht weiter geduldet worden sei, habe sie ihre Aktion vorfristig am Donnerstag abgebrochen.
Vom Ergebnis ist sie insofern enttäuscht, als sie vorher lediglich aus dem Büro einer SPD-Bundestagsabgeordneten angerufen und dabei auch nur gefragt worden sei, ob sie sich noch im Hungerstreik befinde. Ganz vergeblich war die Aktion jedoch nicht. Von den Passanten – mitten im Zentrum der Hauptstadt zumeist Touristen – seien zehn Prozent stehen geblieben und fünf Prozent hätten sie angesprochen. Die häufigste Frage: »Brauchen Sie etwas?« – »Es geht nicht um mich. Es geht um den Frieden«, so Nawroths Antwort. »Ich habe alles getan, was man tun konnte«, sagt Nawroth jetzt. »Ich wollte nicht zu denen gehören, die ruhig auf dem Sofa sitzen.
Es waren für sie harte zweieinhalb Wochen bei Wasser und Tee. Erfahrung mit dem Fasten hat sie. Doch zum Hunger kamen die Kälte und Regenwasser, das in ihr Zelt eindrang. »Die ersten Tage sind die schlimmsten gewesen. Nach drei Tagen dachte ich: Noch zwei Tage. Aber ich habe es durchgestanden.« Nach der Tortur war sie sehr geschwächt und krank, hat sich die letzten Tage bei ihrer alten Mutter erholt, die in Berlin wohnt. Am Dienstag konnte Marion Nawroth immerhin schon wieder sprechen, doch ihre Stimme war noch heiser.
Friedliche Weihnachten
2013 kandidierte Marion Nawroth selbst einmal für den Bundestag. Da war sie bei den Piraten, die es niemals in den Bundestag geschafft haben. Auch Nawroths Kandidatur für den sächsischen Landtag ein Jahr später war nicht von Erfolg gekrönt. »Damals war ich noch Verfechterin des bedingungslosen Grundeinkommens«, berichtet die 68-Jährige, was sie zu den Piraten geführt hatte, denen sie dann aber den Rücken kehrte.
Nawroth lehnt die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper ab, weil sie eine Eskalation und einen Atomkrieg fürchtet. Doch es ist ihr bewusst, dass schnell als Anhänger des russischen Präsidenten Wladimir Putin abgestempelt wird, wer sich gegen Waffenlieferungen ausspricht. Sie betont deshalb: »Ich bin generell gegen Krieg!« Diesen Mittwoch will die 68-Jährige heim nach Bautzen. Sie verabschiedet sich nicht mit der in der Adventszeit üblichen Grußformel »Frohe Weihnachten«, sondern wünscht ausdrücklich ein friedliches Weihnachten.
Friedensaktion in Brandenburg/Havel
Für den 14. Dezember ruft das Bündnis für Frieden von Brandenburg/Havel zu einer Demonstration durch diese Stadt auf. Unter dem Motto »Kriegsgefahr stoppen« soll es von 12 bis 14 Uhr vom Salzhofufer in der Nähe der Jahrtausendbrücke in einer Runde über Haupt- und Sankt-Annen-Straße zurück zur Jahrtausendbrücke gehen. Bernd Lachmann vom Bündnis für Frieden warb am Freitag beim BSW-Landesparteitag in Potsdam um rege Beteiligung. Er ist der frühere Bündnissprecher. Er hat diese Funktion aber inzwischen an Dominik Mikhalkevich abgegeben, der ebenfalls zum kleinen Kreis der BSW-Mitglieder im Land Brandenburg gehört.
Fast zeitgleich mit der Friedensdemonstration stellt die SPD in Potsdam ihre Landesliste für die Bundestagswahl am 23. Februar auf. Kanzler Scholz ist in Potsdam bereits als Direktkandidat im Wahlkreis nominiert.
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