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Brücken bauen auf einem kaputten Fundament
In der Thüringer CDU-BSW-SPD-Koalition sollen die Sozialdemokraten den Kontakt zur Linken halten, die für eine Mehrheit gebraucht wird
Natürlich hatte Georg Maier es auch am Dienstag wieder gesagt. Zum gefühlt 356. Mal: dass seine SPD im Dauerkonflikt zwischen der CDU und der Linkspartei vermitteln werde. Immerhin, sagte der Landesvorsitzende der Thüringer Sozialdemokraten und bisherige Innenminister, habe seine Partei diese Vermittlerfunktion ja auch in der vergangenen Legislaturperiode gehabt, als sich die rot-rot-grüne Minderheitskoalition auf die Stimmen der Christdemokraten stützen musste, um so ziemlich alle wichtigen politischen Vorhaben durchs Parlament zu bringen.
Nun, da die Brombeer-Koalition in Thüringen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die parlamentarische Macht im Freistaat übernehmen wird, sind die Vorzeichen ziemlich genau anders herum. Wenn sie wirklich keine Zusammenarbeit mit der AfD wollen, werden sich CDU, BSW und SPD auf Die Linke stützen müssen. Die Funktion der SPD wird trotzdem die eines Vermittlers bleiben. »Wir versuchen dieser Rolle jetzt auch wieder gerecht zu werden«, sagte Maier. Das war just an dem Tag, als sich die CDU erheblich auf Die Linke zubewegt hatte und ihr eine schriftliche Duldungsvereinbarung anbot, die aber selbstverständlich so nicht heißen darf und wird.
Ist diese Bewegung bei der CDU wirklich dem Drängen der SPD zuzuschreiben ist? Ein bisschen bestimmt. Aber ob ihre Haltung der Union den entscheidenden Stoß versetzt hat, sich auf die Linken zuzubewegen? Die Darstellungen dazu gehen ziemlich weit auseinander. In SPD-Kreisen heißt es: »Natürlich!« In Linke-Kreisen heißt es: »Nö. Es ist vor allem der Machthunger der CDU, der die Partei zum Einlenken gebracht hat.«
Weniger kontrovers ist dagegen, dass die SPD in den nächsten Monaten jedenfalls in der Theorie immer wieder als Vermittler wird auftreten müssen, wenn die Brombeer-Koalitionäre und die Linken über all das verhandeln werden, was eine Mehrheit im Landtag braucht – zuvorderst das Gesetz über den Landeshaushalt 2025.
Einfach werden diese Gespräche ganz bestimmt nicht, was nicht nur an der politischen Ausrichtung des Brombeer-Bundes auf der einen und der Linken auf der anderen Seite liegt. Denn während in der schon genannten Theorie die SPD auch deshalb zwischen CDU und Linken vermitteln sollen, weil sie zehn Jahre lang mit der Linken am Kabinettstisch in der Thüringer Staatskanzlei saß, ist es in der Praxis genau anders herum: Eben weil die SPD und Die Linke dort gemeinsam saßen, werden diese Gespräche schwierig.
Was paradox klingt, ist es bei näherem Hinsehen überhaupt nicht. Immerhin haben in diesen Jahren viele Linke eine nicht unbedingt herzliche Beziehung zur SPD und ihrem Spitzenpersonal entwickelt. Wechselseitige persönliche Animositäten spielen für das Verhältnis von Linken und Sozialdemokraten in Thüringen eine große Rolle, wie sich jüngst erst wieder beobachten ließ.
Bei dieser erst wenige Tagen alten Auseinandersetzung warf der Chef der Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), Georg Maier öffentlich vor, Versuche hintertrieben zu haben, aus Thüringen eine Bundesratsinitiative zu einem AfD-Verbotsverfahren zu beginnen. »Alle Bemühungen, im Bundesrat gegen die AfD vorzugehen, scheiterten auf Thüringer Seite – übrigens ebenso wie alle Bemühungen, die Schuldenbremse zu reformieren – am Veto des SPD-Landesvorsitzenden und Innenministers«, sagte Hoff. Zudem habe die Landesregierung auf einen Bericht des Innenministeriums zu verschiedenen Prüfungen, die mit einem möglichen AfD-Verbot im Zusammenhang stehen, warten müssen, weil Maier mehrfach nicht an Kabinettssitzungen teilgenommen habe. Maier wies diesen Vorhalt Hoffs zurück und ärgerte sich noch länger darüber.
Die Liste ähnlicher Scharmützel ließe sich noch lange fortsetzen, zum Beispiel mit einer Geschichte darüber, wie Maier dem Säulenheiligen der Thüringer Linken, Bodo Ramelow, im Wahlkampf die Kraft absprach, den Freistaat noch weitere fünf Jahre regieren zu können. Anders ausgedrückt: Das Fundament der Brücke, die die SPD zwischen Linken und CDU in Thüringen bauen soll, ist ziemlich beschädigt. Ob das Konstrukt wirklich halten kann, muss sich erst noch zeigen.
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