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Wie Tadej Pogacar neue Rekorde jagt
Der Slowene und sein Rennstall setzen auf neue Räder und Künstliche Intelligenz
Der König hielt Hof in Benidorm. Eigentlich war Tadej Pogacar weniger König, mehr ein Pharao. Denn sein Rennstall UAE Emirates, im neuen Jahr auch mit neuem Sponsor UAE Emirates XRG, hatte das Hotel Grand Luxor bezogen. Das borgt sich nicht nur den Namen der Pyramidenstätte, das Hauptgebäude selbst ist pyramidenartig abgestuft, davor wachen ein paar Sphinx-Figuren. Im hinteren Bereich plätschert ein künstliches Gewässer, an dessen Rand Boote vertäut waren, die stark an die alten Bildwerke von Wasserfahrzeugen auf dem Nil erinneren. Da fehlte nur noch, dass sich Pogacar selbst eine Schicht Gold auf die Haut aufgetragen hätte.
In frischem, regenbogenfarbenen Glanz des Weltmeisters präsentierte sich aber das neue Aerorad, das Ausrüster Colnago dem Team in der kommenden Saison zur Verfügung stellt. »Wir haben es explizit auf Wunsch der Fahrer entwickelt«, erklärte Chefdesigner Torgny Fjeldskaar »nd« in der Hotellobby. Drei Jahre forschte ein fünfköpfiges Team am neuen Arbeitsgerät. Ins Auge fällt die vom Sitzrohr abgetrennte und im stumpferen Winkel nach oben gerichtete Sattelstütze. Das soll Vibrationen dämpfen, damit für besseren Komfort für die Fahrer sorgen, die, so hofft man, dann auch weniger schnell ermüden. Zugleich wurde im Frontbereich getüftelt, und so ist das neue Modell namens Y1Rs laut Tests im Windkanal bei idealen Bedingungen um 20 Watt schneller als das Vorgängermodell V4Rs.
Das kann ein Faktor für weitere Triumphe des im letzten Jahr mit beeindruckenden 81 Saisonsiegen ohnehin erfolgreichsten Rennstalls werden. Pogacar, der allein auf 25 Siege kam, hat jedenfalls noch mehr vor. »Man strebt doch immer nach Verbesserungen. Ich sehe mich auch nicht als alten Kerl. Da ist noch Raum für Entwicklung«, sagte der Slowene fröhlich. Als explizite Ziele verkündete er in der Medienrunde: »Ich würde mich riesig freuen, meine Titel bei der Tour und bei der WM verteidigen zu können. Außerdem strebe ich den Sieg bei Mailand-Sanremo an. Das ist das am wenigsten vorhersehbare Rennen im Kalender. Dem ersten Platz dort komme ich langsam immer näher.«
Die Ankündigung muss man ernst nehmen. Sie bringt allerdings Pogacars Trainerteam ins Grübeln. »Gute Frage«, antwortete Jeroen Swart, seit sechs Jahren Coach bei UAE Emirates, auf die Nachfrage von »nd«, wo er denn im Training noch Raum für Verbesserung bei seinem besten Schützling sieht. »Er hat keine Defizite mehr. Ein wenig Luft ist vielleicht noch im Bereich der physischen Stärke«, grübelte er. Noch mehr Schwitzen im Kraftraum bedeutet das.
Die Arbeit an der Stabilität des Oberkörpers sah Swart als einen der drei wichtigsten Faktoren bei dem famosen Leistungsschub von Pogacar in der abgelaufenen Saison an. Mehr Muskulatur im Oberkörper kann helfen, unbequeme, aber aerodynamisch günstigere Positionen auf dem Rad länger zu halten und damit auch länger die jeweils maximale Kraft auf die Pedale zu bringen. Als die beiden anderen Hauptaspekte für die Leistungssteigerungen nannte Swart höhere Intensitäten beim Intervalltraining und Veränderungen bei der Ernährung. Ob dort noch mehr herauszukitzeln ist, schien ihm aber fraglich. »Gut wäre schon, wenn wir das Niveau halten«, meinte er.
Große Hilfe bei der Entwicklung neuer Trainingsideen in der Zukunft verspricht er sich allerdings vom Einsatz von Künstlicher Intelligenz. »Wir haben bereits eine. Wir nennen sie Anna und sie wurde mit unseren Partnern in den Vereinigten Arabischen Emiraten entwickelt. Wir lassen auf dieser Plattform alle Daten einfließen, die wir von den Fahrern über die diversen Geräte bekommen, von Leistungsdaten über Schlafdaten bis zu persönlichen Einschätzungen des Wohlbefindens«, erklärte Swart »nd«. Die Herausforderung für ihn und das gesamte Trainerteam sei jetzt, Anna die richtigen Fragen zu stellen, um zu neuen Einsichten zu gelangen. Demnächst will er Anna fragen, wie man Mailand-Sanremo am besten gewinnt. »Die Antwort verrate ich euch aber noch nicht«, sagte er.
Auf ein recht toxisches Verfahren immerhin will das Team ab jetzt verzichten. »Wir stellen die Messungen der Hämoglobinmasse mit dem Kohlenmonoxidverfahren ein«, verkündete Swart in Benidorm. Das Verfahren geriet in die Kritik, weil dosiertes Einatmen von Kohlenmonoxid die gleichen Effekte wie Höhentraining haben kann, also die Stimulierung der Produktion roter Blutkörperchen für den besseren Sauerstofftransport im Blut. Das wäre dem Sinn nach Doping. Einatmen von Kohlenmonoxid stritt die Equipe bisher zwar ab, der Einsatz der Messmethode war aber nachvollziehbarer Anlass für Vorwürfe.
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