Trägt Deutschland eine Mitverantwortung für US-Drohnenangriffe?

Verfassungsgericht verhandelt Ramstein-Klage aus dem Jahr 2015 in 4. Instanz

  • Jacqueline Melcher, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Um die Latenz bei der Übertragung von Funksignalen zu verkürzen werden US-Drohnen erst ab Ramstein via Satellit gesteuert.
Um die Latenz bei der Übertragung von Funksignalen zu verkürzen werden US-Drohnen erst ab Ramstein via Satellit gesteuert.

Welche Verantwortung trägt Deutschland, wenn für US-Drohneneinsätze im Ausland technische Einrichtungen auf deutschem Boden genutzt werden? Dazu verhandelt am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe – und nimmt den pfälzischen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein unter die Lupe. Die Karlsruher Richterinnen und Richter sind nicht die Ersten, die den Fall prüfen. Die wichtigsten Hintergründe im Überblick:

Was passiert in Ramstein?

Die Air Base Ramstein ist ein vom US-Militär genutzter Flugplatz in Rheinland-Pfalz. Das Bundesverteidigungsministerium sei 2010 von den amerikanischen Streitkräften informiert worden, dass auf dem Gelände eine Satelliten-Relais-Station zur Steuerung auch waffenfähiger Drohnen im Ausland gebaut werde, so das Bundesverfassungsgericht. Das Ministerium erwiderte demnach, dass es keine Bedenken sehe.

Wer klagt in Karlsruhe?

Der Zweite Senat verhandelt am Dienstag über die Verfassungsbeschwerde von zwei jemenitischen Staatsangehörigen. Nahe Verwandte von ihnen waren 2012 bei einem US-Drohneneinsatz in ihrem Heimatort getötet worden. Seit rund zehn Jahren gehen sie an deutschen Gerichten gegen die Nutzung der Air Base für US-Drohneneinsätze vor.

Was werfen sie dem Bund vor?

Die Kläger berufen sich am Bundesverfassungsgericht auf das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Bundesrepublik habe ihre Schutzpflicht, die auch für im Ausland befindliche Ausländer gelte, verletzt. Ein Urteil fällt in der Regel erst einige Monate nach der Verhandlung. (Az. 2 BvR 508/21)

Was urteilten andere Gerichte?

Bevor er in Karlsruhe landete, hatte der Fall in den vergangenen Jahren schon mehrere Gerichte beschäftigt – die zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen waren. Das Kölner Verwaltungsgericht entschied 2015, die Bundesregierung sei nicht verpflichtet, den USA die Nutzung von Ramstein für Drohnenangriffe im Jemen zu verbieten, und wies die Klage in erster Instanz ab.

Am Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster erzielten die Jemeniten dann aber einen Teilerfolg. Das OVG verurteilte die Bundesrepublik dazu, künftig aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des Militärstützpunkts gegen Völkerrecht verstoßen. In dritter Instanz machte das Bundesverwaltungsgericht die OVG-Entscheidung jedoch wieder rückgängig.

Wie begründete das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung?

Das Gericht in Leipzig entschied, dass es für Ausländer im Ausland prinzipiell eine grundrechtliche Schutzpflicht Deutschlands geben könne. Dafür gebe es aber Voraussetzungen. Zum einen müssten völkerrechtswidrige Handlungen konkret zu erwarten sein, zum anderen müsse es dabei einen engen Bezug zum deutschen Staatsgebiet geben. Es reiche nicht aus, dass Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei, sondern es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden stattfinden.

Was sagt der Bund?

Die Bundesregierung sieht alle ihre Verpflichtungen, die mit der Stationierung ausländischer Streitkräfte in Deutschland einhergehen, erfüllt. Zur Nutzung der Air Base Ramstein befinde man sich mit den USA in einem »fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog«, teilte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums mit. »Die Bundesregierung hat dabei wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.«

Wie sieht das die Gegenseite?

Die Jemeniten werden bei ihrer Verfassungsbeschwerde vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und der Menschenrechtsorganisation Reprieve unterstützt. Das Urteil könnte nach deren Einschätzung wegweisende Grundsätze für die Verantwortung Deutschlands gegenüber Drittstaaten in internationalen Konflikten festlegen. ECCHR-Experte Andreas Schüller erklärt: »Mit der Anhörung sendet das Bundesverfassungsgericht ein dringendes Signal an die Bundesregierung, den Schutz der Menschenrechte im Ausland in all ihren Unterstützungshandlungen gegenüber Drittstaaten sehr ernst zu nehmen.«

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