Verkehrstote in Berlin: Die Kreuzung als Unfall-Hotspot

ADAC-Studie: Insbesondere an großen Kreuzungen bleibe der Senat oft untätig

Radfahrer*innen und Fußgänger*innen sind im Hauptstadtverkehr am stärksten gefährdet.
Radfahrer*innen und Fußgänger*innen sind im Hauptstadtverkehr am stärksten gefährdet.

»Die Erkenntnisse machen uns nicht nur hellhörig, sie machen uns betroffen«, sagt Martin Koller, Vorstand für Verkehr beim Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC) Berlin-Brandenburg. Am Dienstag stellt der ADAC die Ergebnisse einer Untersuchung von Unfallkreuzungen in Berlin vor. Verglichen wurden die 2023 erhobenen Daten mit einer gleichartigen Studie aus dem Jahr 2020. »Die DNA des ADAC ist Verkehrssicherheit«, sagt Koller während der Präsentation, »doch was wir wahrnehmen, ist das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen.«

Bestimmte Kreuzungen in der Hauptstadt würden regelrechte Unfallschwerpunkte darstellen, die dringend entschärft werden müssten. Hierzu gehörten die Kreuzungen am Schlesischen Tor, am Innsbrucker Platz, am Hauptbahnhof und an der Mollstraße/Otto-Braun-Straße. Dort habe sich das Unfallaufkommen seit 2020 um vier bis zehn Prozent erhöht. Die Kreuzung am Schlesischen Tor führt die Liste mit den meisten Unfällen im Jahr 2023 an. Allerdings liegt sie mit 230 Unfällen unter den 266 Unfällen, die der Jakob-Kaiser-Platz 2020 noch einsammelte. Als positives Beispiel hebt der ADAC das Frankfurter Tor hervor. Hier sei es mit einfachen Mitteln, insbesondere der roten Markierung der Fahrradstreifen, gelungen, das Unfallaufkommen zu senken.

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Mit Radfahrer*innen und Fußgänger*innen seien vor allem die Schwächsten im Verkehr Opfer von Verkehrsunfällen, die mit 60 Prozent mehrheitlich von Pkw- und Lkw-Fahrer*innen verursacht würden. Die Zahl der tödlich verunfallten Fußgänger habe sich seit 2023 von zwölf auf 23 nahezu verdoppelt, wie sich der Polizeistatistik 2024 entnehmen lässt. Verdoppelt habe sich auch die Zahl der nach Unfällen verstorbenen Pkw-Fahrer*innen: von vier auf acht.

Insgesamt hat laut ADAC die Zahl der Verkehrsunfälle in Berlin entsprechend einer seit 2020 anhaltenden Entwicklung auch 2024 weiter zugenommen. Dem entgegen ist die Zahl der Verkehrstoten seit 2020 kontinuierlich gesunken. Bis zum 13. Dezember verzeichnet die Berliner Polizei dieses Jahr allerdings 53 Verkehrstote – der höchste Wert seit 2016. Koller vermutet, dass sich diese Tendenz auch über 2024 fortschreiben könnte.

Die Hauptursachen dafür, dass es an den »Unfall-Hotspots« immer wieder knallt, sind laut Polizei Berlin das fehlerhafte Wechseln des Fahrstreifens und ungenügender Sicherheitsabstand. Autofahrer*innen hätten beim Anfahren an die Schwerpunktkreuzungen nicht genügend Informationen zur Verfügung, um sie vollends zu erfassen, sagt Martin Koller vom ADAC. Dies könne mittels einfacher Maßnahmen behoben werden. Selten sei eine neue teure Ampelanlage notwendig. Der ADAC regt stattdessen Informationen auf dem Fahrstreifen und per Beschilderung an, und eben die sichtbare Trennung von Rad- und Autospuren.

Für jeden Hotspot listet der ADAC positive und negative Entwicklungen auf und macht darüber hinaus Verbesserungsvorschläge. Dazu gehören zum Beispiel eine vorgezogene Fahrradaufstellfläche am Innsbrucker Platz, damit sich dort Radfahrer*innen und Rechtsabbieger*innen während einer roten Ampel nicht so leicht in die Quere kommen.

»Die letzten drei Jahre hat der Senat die Sicherung von Kreuzungen schleifen lassen.«

ADAC Berlin-Brandenburg

Verbesserungen seien über verschiedene Maßnahmen möglich, sagt Koller. Aber es werde viel zu wenig umgesetzt, kritisiert er die von der CDU geführte Verkehrsverwaltung. Es sei zwar nicht so, dass die Verkehrspolitik der Hauptstadt vollends zum Stillstand gekommen sei, aber zumindest die letzten drei Jahre habe der Senat die Sicherung von Kreuzungen schleifen lassen, erklärt der ADAC. Bereits bei der ersten Untersuchung vor drei Jahren habe der ADAC die gleichen Kritikpunkte erhoben.

Zudem seien Kreuzungen häufig uneinheitlich gestaltet. Mal seien sie mit Beschilderung und führenden Hinweisen voll ausgestattet, mal fehlten diese fast vollends. Zudem sei in der Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Senat noch viel Luft nach oben. Maßnahmen würden oft nicht abgestimmt und unkoordiniert vollzogen.

»Ich teile die Einschätzungen des ADAC, dass es mehr konsequentes Handeln statt leere Versprechen braucht«, sagt Oda Hassepaß, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, mit Blick auf unterlassene Kreuzungsumbauten zu »nd«. Kinder und Senioren seien besonders gefährdet. Ihre Fraktion fordere gemäß Berliner Mobilitätsgesetz daher die Beseitigung von mindestens zehn Gefahrenstellen pro Jahr und Bezirk. Es brauche jetzt sofort umsetzbare Maßnahmen: »bessere Fahrbahnmarkierungen und -abtrennungen, mehr Poller, freie Sichtachsen an Kreuzungen, mehr Tempo 30, verstärkte Kontrollen und mehr Blitzer«, sagt Hassepaß. Diese Maßnahmen seien kostengünstig und würden Leben retten.

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