- Politik
- Syrien
Unklarheit um Kobanê
Islamistische Milizen bereiten Angriff auf kurdische Stadt vor
Zum Jahreswechsel 2014/2015 war der Blick der Weltöffentlichkeit auf die kurdische Stadt Kobanê in Nordsyrien an der Grenze zur Türkei gerichtet. Der sogenannte Islamische Staat hatte die Stadt umzingelt und drohte sie komplett einzunehmen. Zehn Jahre später ist die Stadt aktuell ein weiteres Mal bedroht. Nachdem von der Türkei unterstützte islamistische Milizen in den vergangenen Wochen die Stadt Manbidsch angriffen und einnahmen, könnte die Stadt, die dem IS seine erste große Niederlage einbrachte, jetzt erneut zum Ziel von Islamisten werden.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Seit der Einnahme von Manbidsch hatte es in der letzten Woche verschiedene Versuche gegeben, zwischen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (SNA) und den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) eine Waffenruhe zu verhandeln. Allerdings scheinen diese von den USA vorangetriebenen Bestrebungen nicht gehalten zu haben. Im Gegenteil soll es nach Angaben des »Wall Street Journals« entlang der syrischen Grenze und in den von der Türkei besetzten Gebieten in Syrien rund um die Stadt Kobanê Truppenbewegungen geben, die den Vorbereitungen der Invasion Nordsyriens im Herbst 2019 ähneln. Auch vom Süden drohen Kämpfer der SNA immer wieder damit, die Großstadt Raqqa angreifen und einnehmen zu wollen. Raqqa war bis zur Befreiung 2016 die Hauptstadt des IS-Kalifats in Syrien gewesen.
Sollte es zu einem Angriff auf die Selbstverwaltung kommen befürchtet die Außenbeauftragte der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien, Elham Ahmad, dass 200 000 Menschen alleine aus der Region Kobanê fliehen könnten. Eine Besatzung würde die von der SNA und der Türkei kontrollierten Gebiete Syriens verbinden – ein strategischer Sieg. Die Selbstverwaltung betont seit dem Sturz von Assad ihre Bereitschaft, einen gesamtsyrischen Dialog mitzugestalten. Dass sie dabei einbezogen werden, ist weiter nicht garantiert. Von außerhalb Syriens kommen dazu geteilte Zeichen. Während die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Dienstag auf X mitteilte, in Kobanê dürfe es nicht erneut zu Blutvergießen kommen, erwähnte die EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Kurd*innen, die Selbstverwaltung oder die Angriffe der islamistischen SNA bei ihrem Besuch in Ankara beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mit keinem Wort. Sagte diesem aber eine Milliarde Finanzhilfen für die weitere Unterbringung von Geflüchteten zu.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.