Der neue Zug im DSV-Team mit Franziska Preuß an der Spitze

Die deutschen Biathletinnen stürmen in die Weltspitze

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 4 Min.
Vornweg: Franziska Preuß ist so gut wie nie.
Vornweg: Franziska Preuß ist so gut wie nie.

Franziska Preuß kommt in diesen Tagen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Beim finalen Biathlon-Weltcup dieses Jahres im französischen Le Grand Bornand darf sie in einem ganz speziellen Trikot starten: Wenn am Donnerstag der Sprint ansteht, geht sie in Gelb-Rot auf die Strecke – als jeweils Führende im Gesamtweltcup und in der Sprint-Wertung. Verdient hat sie sich das in den Rennen davor; dabei gelang Preuß unter anderem ihr erster Sieg im Weltcup nach fast sechs Jahren.

Weniger Druck, mehr Genuss

»Ich freue mich, dass ich Gelb-Rot anhaben darf. Das ist schon was Besonderes, wo ich nicht dachte, dass ich das mal anziehen darf«, sagt Preuß. Mit 30 Jahren erlebt sie gerade die erfolgreichste Zeit ihrer Karriere und kann das so richtig genießen. Wie jüngst mit der deutschen Staffel, die sie als Schlussläuferin zum ersten Sieg seit rund vier Jahren führte. Vor diesem Erfolg in Hochfilzen forderte sie ihre drei nervösen Teamkolleginnen auf, die tolle Atmosphäre aufzusaugen und nicht an den Druck zu denken. Nach dem Triumph erklärte sie dann, dass alles viel schöner als bei ihrem ersten Staffel-Sieg ohne Zuschauer in den Corona-Jahren in Oberhof gewesen sei: »Es war einfach verrückt, so etwas habe ich noch nicht erlebt.«

Vier Podestplätze und zwei Siege hat Preuß in dieser kurzen Saison schon auf dem Konto. Die in der Vergangenheit permanent von Erkrankungen gebeutelte Wasserburgerin wirkt so entspannt wie nie, nachdem sie sich im Nachgang der vergangenen Saison einer »unangenehmen« Nasennebenhöhlen-Operation unterzogen hatte. Die Ursache für die häufigen Infekte scheint beseitigt, sie fühlt sie jetzt »deutlich belastbarer«. »Schau’n mer mal, wo die Reise noch hingeht. Aber man kann das Franzi nach all den schwierigen Jahren nur gönnen«, freut sich Felix Bitterling, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes.

Viele Talente

Die Erfolge von Preuß haben auch viel mit einem ganz neuen Zug im deutschen Team zu tun. Neben der mit 27 Jahren ebenfalls erfahrenen Vanessa Voigt, die in diesem Winter auch schon auf das Podest laufen konnte, stürmt gleich eine ganze Garde junger Talente in die Weltspitze. Beim Staffel-Sieg zeigten die 19-jährige Julia Tannheimer und die ein Jahr ältere Selina Grotian gegen Weltklasse-Konkurrentinnen eine abgezockte Leistung – und standen genau wie Voigt zum ersten Mal überhaupt im Weltcup ganz oben. »Was Julia und Selina da machen, ist fantastisch«, schwärmt Bitterling. »Man muss den Jungen das Ungestüme und Attackierende zugestehen. Das ist eine sensationell gute Einstellung, die viele im Team extrem ansteckt.«

»Wir haben ja einige junge Mädels dabei. Wenn die sehen, dass es eine Julia schafft, ist das eine Mordsmotivation. Zumindest war das bei mir so, als ich reingekommen bin«, berichtet Preuß. »Da schaukelt sich dann so eine Dynamik hoch.«

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Genau das passiert momentan im deutschen Team. Führungsfigur Preuß geht voran, die »jungen Wilden« folgen. Dazu gehören neben Tannheimer und Grotian auch die 20-jährige Julia Kink oder die ein Jahr ältere Marlene Fichtner. Der »Jugendstil« bringt definitiv »frischen Wind ins Team«, und die Rollen sind klar verteilt. Preuß und Voigt sind die »Mamis«, wie sie die im vergangenen Winter schon an WM-Staffelbronze beteiligte Grotian scherzhaft nennt. Sie geben viele Tipps, den Rest der Fragen bekommen laut Preuß »die Trainer ab«.

Löwin in der Loipe

Im Schatten der Vorzeigefigur herrscht eine gesunde Konkurrenz darum, wer in Zukunft die deutsche Biathlon-Überfliegerin werden könnte. In der Pole Position ist erst mal die Ulmerin Tannheimer: Nach zwei Top-6-Plätzen im Weltcup hat sie bereits die Qualifikationsnorm für die Weltmeisterschaften Mitte Februar im schweizerischen Lenzerheide in der Tasche. »Julia kennt jeder von uns nur im Angriffsmodus«, schwärmt Bitterling. »Sie lächelt freundlichst mit sehr treuen Augen, und dann wird sie zur Löwin da draußen.«

Tannheimer selbst findet die spektakulären Erfolge »ziemlich unreal«. Ihr raketenartiger Aufstieg begann am 16. Dezember 2023, als sie sich in Norwegen im Alter von 18 Jahren und 137 Tagen beim Ibu-Cup zur jüngsten Einzelsiegerin in der zweiten Liga des Biathlon kürte. Es folgten zweimal Gold und einmal Silber bei der Junioren-WM. Danach legte die insgesamt fünfmalige Nachwuchs-Weltmeisterin ein sensationelles Abitur mit der Note von 1,1 ab. Für ihren Ehrgeiz spricht, dass Tannheimer am »Boden zerstört war«, weil sie durch die mündliche Prüfung die Traum-Abschlussnote von 1,0 verpasst hatte.

Dass sie viele schon als mögliche Nachfolgerin von Legenden wie Magdalena Neuner oder Laura Dahlmeier sehen, macht Tannheimer eher verlegen. »Ich kann mich mit den beiden nicht sehen, das bekommt mein Kopf nicht hin«, sagte sie im Podcast »Extrarunde«. »Es interessiert mich auch nicht so sehr, mich freuen die Ergebnisse. Rekorde sind in meinem Alter auch nicht so wichtig.« Dafür ist derzeit noch »Mami« Franziska Preuß zuständig.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.