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Vierschanzentournee: Sven Hannawald sieht unterbezahlte Sportler
Die deutsche Tournee-Legende über Umsätze, Prämien und sportliche Spanunng
Erst gab es am Anfang der Saison die Seriensiege von Pius Paschke, zuletzt hingegen die österreichische Dominanz bei der Tournee-Generalprobe in Engelberg. Was erwarten Sie von der 73. Vierschanzentournee?
Ich erwarte die vielleicht spannendste Tournee der Geschichte. Die Topspringer sind komplett nah beieinander. Erst hat Pius Paschke die Saison dominiert, dann ist es immer knapper geworden. Beim Weltcup in Engelberg hat er sich mit den Ergebnissen scheinbar rausgeschossen, aber es gibt eine Begründung für sein Abschneiden: Er war im Vorfeld dieses Weltcups auf einer extrem speziellen Schanze angeschlagen und hat mit Gewalt versucht, das wettzumachen. Das funktioniert nicht und Pius muss dieses zusätzliche »Wollen« einfach im Gedankenkino von der Festplatte löschen. Beim Tournee-Auftakt in Oberstdorf wird es wieder ganz anders aussehen aus deutscher Sicht: Jetzt kommen die Schanzen, die sie kennen und können.
Ist Pius Paschke für Sie noch der große Favorit auf den ersten deutschen Tournee-Gesamtsieg seit Ihrem Triumph vor 23 Jahren?
Ich glaube an einen Zweikampf zwischen Pius Paschke und Jan Hörl und generell an ein Duell zwischen Deutschland und Österreich. Dahinter lauern Andreas Wellinger für die Deutschen und Stefan Kraft für Österreich. Ich denke aber, die besten Chancen auf einen deutschen Sieg hat Pius: Der Sprung von ihm ist wegen seiner im Vergleich zu Andi Wellinger geringeren Körpergröße nicht so anfällig in der Luft.
Sven Hannawald gewann als letzter Deutscher 2001/2002 die Gesamtwertung und schaffte mit Siegen in allen vier Springen damals eine Premiere. Jetzt begleitet der 50-Jährige als Experte in der ARD die Flieger-Szene. Mit Lars Becker sprach er über die 73. Ausgabe der Vierschanzentournee, wo am Samstag in Oberstdorf die erste Entscheidung fällt.
Severin Freund, Karl Geiger oder Andreas Wellinger: In den letzten Jahren sind deutsche Skispringer schon häufig als Favoriten zur Vierschanzentournee gereist, zum großen Coup hat es jedoch nie gereicht.
Die Tournee ist die größte Herausforderung, die es im Skispringen gibt. Sie steht deutlich über allem. Bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen muss man an einem Tag top sein und dann kann man ganz oben stehen. Bei der Tournee sind es zehn Tage. Das kannst du nicht trainieren, du musst jeden Tag mit neuen Situationen klarkommen. Du musst es als Chance sehen, dass du im Mittelpunkt stehst und dir Millionen zuschauen. Du musst Energie daraus ziehen, dass dir so viele Menschen an der Schanze zujubeln. Diese Glücksgefühle, das Adrenalin musst du aufnehmen und auf der Welle reiten. Vielleicht haben das die deutschen Skispringer in der Vergangenheit manchmal eher als Druck empfunden.
Auch die Österreicher haben die Vierschanzentournee seit zehn Jahren nicht mehr gewonnen und aktuell sogar vier Kandidaten für den Gesamtsieg!
Sie haben die Tournee aber vor dieser langen Pause siebenmal hintereinander gewonnen. Jetzt ist Deutschland nach 23 Jahren wieder dran, da gibt es gar keine Diskussion. Das muss auch der da oben im Himmel endlich mal einsehen. Es muss einfach mal endlich einen deutschen Skispringer geben, der die nötige Lockerheit und Entspanntheit mitbringt und durchzieht.
Finden Sie die Siegprämie von 100 000 Schweizer Franken für den Tourneesieg angemessen?
Ich würde das als unterbezahlt bezeichnen. Es schauen bei jedem Springen mehrere Millionen Zuschauer allein in Deutschland an den Fernsehgeräten zu. Zwar waren es in meiner aktiven Karriere noch mehr Zuschauer an den Bildschirmen, aber das waren andere Zeiten. Die Tournee ist mit Abstand unser größtes Highlight. Die Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel werden doch auch besser bezahlt. Ich finde, eine Million für den Tournee-Gesamtsieg wären vielleicht zu viel. Aber 250 000 Schweizer Franken würde ich angemessen finden. Es wird ja auch durch die Vermarktung und die Zuschauer viel Geld bei der Tournee verdient.
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