Kawelaschwili tritt unter Protesten sein Amt an

Ultrarechter Präsident wird in Tiflis vereidigt

  • Irakli Metreveli, Tiflis
  • Lesedauer: 4 Min.
Der gewählte georgische Präsident Michail Kawelaschwili (rechts) legt während seiner Vereidigungszeremonie im georgischen Parlament den Eid ab.
Der gewählte georgische Präsident Michail Kawelaschwili (rechts) legt während seiner Vereidigungszeremonie im georgischen Parlament den Eid ab.

Begleitet von massiven Protesten ist in Georgien am Sonntagmorgen der ultrarechte neue Präsident Micheil Kawelaschwili vereidigt worden. Der regierungstreue frühere Fußballprofi wurde am Sonntag in einer kurzen Zeremonie im Parlament in das Amt eingeführt. Die scheidende pro-europäische Präsidentin Salome Surabischwili erklärte indes in einer Rede vor Tausenden Demonstranten, sie bleibe die »einzige legitime Präsidentin«. Die regierungskritischen Proteste in dem Kaukasusland gehen bereits in ihren zweiten Monat.

Surabischwili betonte, sie werde sich aus dem Präsidentenpalast zurückziehen, den Kampf jedoch fortführen. »Ich werde den Präsidentenpalast verlassen und an Ihrer Seite stehen, mit der Legitimität, der Flagge und Ihrem Vertrauen«, sagte sie vor ihren Anhängern am Sonntag.

In der Vergangenheit hatte Surabischwili erklärt, ihr Amt nicht aufgeben zu wollen. Die scheidende Präsidentin trug bei der Ansprache das gleiche Outfit in den Farben der georgischen Flagge, Rot und Weiß, wie bei ihrer eigenen Vereidigung vor sechs Jahren.

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Nach der Rede bewegte sich die Menschenmenge auf das Parlamentsgebäude zu. Viele Demonstranten hielten rote Karten hoch – als Zeichen ihrer Ablehnung des neuen Präsidenten. Kurz darauf löste sich die Demonstration auf. Für den Abend waren jedoch neue Proteste angekündigt.

Mindestens 2000 Menschen hatten sich bereits am Morgen zu Protesten gegen die Vereidigung vor dem Präsidentenpalast versammelt. Viele Demonstranten schwenkten EU-Flaggen, wie AFP-Journalisten berichteten.

Der 34-jährige Demonstrant Giorgi Mamatelaschwili sagte AFP, er habe eigentlich erwartet, dass die Präsidentin im Palast bliebe. Dies hätte jedoch zu einer dramatischen Pattsituation geführt, sagte er. Aber »sie ist und bleibt unsere Präsidentin«, fuhr Mamatelaschwili fort.

»Wir vertrauen ihr, wir folgen ihr, und im Moment ist sie unsere Anführerin«, sagte die 42-jährige Schorena Alexaia. »Ich bin sicher, dass sie nur das Beste für Georgien will, und wir haben Vertrauen in sie.«

»Wir werden weiter kämpfen. Wir werden weiter protestieren«, sagte David, ein 22-jähriger Demonstrant. »Es ist zu spät für einen Rückzieher.«

Kawelaschwili erklärte nach seiner Vereidigung im Parlament, die Geschichte Georgiens zeige deutlich, »dass nach zahllosen Kämpfen zur Verteidigung unserer Heimat und Traditionen der Frieden immer eines der wichtigsten Ziele und Werte des georgischen Volkes war«.

Anschließend lobte der neue Präsident, der für seine vehementen anti-westlichen Tiraden bekannt ist und sich zudem immer wieder abfällig über LGBTQ-Menschen geäußert hatte, »unsere Traditionen, Werte, nationale Identität, die Unantastbarkeit der Familie und den Glauben«. Zum ersten Mal in der Geschichte Georgiens fand die Vereidigung des Präsidenten hinter verschlossenen Türen im Plenarsaal des Parlaments statt.

Kawelaschwili war Mitte des Monats durch eine von der Opposition boykottierte Wahlversammlung gewählt worden. Zu den Protesten gegen seine Amtseinführung am Sonntagmorgen hatte Surabischwili aufgerufen.

Regierungsgegner sehen in Kawelaschwili eine Marionette des russlandfreundlichen Milliardärs Bidsina Iwanischwili, der die Regierungspartei Georgischer Traum kontrolliert. Diese hatte bei der Parlamentswahl am 26. Oktober laut offiziellem Ergebnis eine deutliche Mehrheit errungen. Die Opposition wirft ihr jedoch Wahlbetrug vor. Sie beschuldigt die Regierung der Ex-Sowjetrepublik, Georgien wieder näher an Russland heranrücken und sich von der EU entfernen zu wollen.

Die Regierungspartei ihrerseits gibt sich als der einziger Garant für Stabilität im Land und wirft dem Westen vor, Georgien in den Ukraine-Krieg hineinziehen zu wollen.

»Ich werde den Präsidentenpalast verlassen und an Ihrer Seite stehen, mit der Legitimität, der Flagge und Ihrem Vertrauen.«

Salome Surabischwili  Ex-Präsidentin

Die scheidende Präsidentin Surabischwili bekräftigte in ihrer Ansprache am Sonntag, eine Wiederholung der »unrechtmäßigen« Wahl sei die »Formel zur Lösung« der Krise. Regierungschef Irakli Kobachidse hat Neuwahlen allerdings ausgeschlossen.

Am 28. November kündigte die georgische Regierung an, die Beitrittsverhandlungen mit der EU bis 2028 auszusetzen. Seitdem gibt es in dem Land täglich regierungskritische Demonstrationen, auf denen eine Fortsetzung der EU-Annäherung gefordert wird.

Der republikanische US-Kongressabgeordnete Joe Wilson hatte am Freitag Surabischwili eingeladen, an der Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar teilzunehmen – »als einzige legitime« Vertreterin Georgiens.  AFP/nd

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