Göttingen: »Querdenker« ausgebremst

Blockaden stoppen erneut Schwurbler-Demonstration in Universitätsstadt

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Tausende Menschen stellten sich am 1. Februar in Göttingen den nur in geringer Zahl erschienenen »Querdenkern« entgegen.
Tausende Menschen stellten sich am 1. Februar in Göttingen den nur in geringer Zahl erschienenen »Querdenkern« entgegen.

Sie haben es wieder versucht – und sind wieder gescheitert. Zum vierten Mal seit Anfang 2023 hatte die »Querdenken«-Bewegung für Samstag zu einer Demonstration in Göttingen mobilisiert, und zum vierten Mal musste sie sie wegen massenhafter Proteste und Blockaden vorzeitig abbrechen.

Mehrere tausend Menschen gingen in der niedersächsischen Universitätsstadt gegen Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien auf die Straße. Die Polizei sprach von 5000 Teilnehmenden, die Veranstalter von 10 000. Zu den Protesten hatten das Göttinger Bündnis gegen Rechts sowie zahlreiche Initiativen, Kirchen, Gewerkschaften und Parteien aufgerufen.

Die Veranstaltung der »Querdenker« war unter dem Motto »Politik gegen das Volk?« und »Neuwahlen, die Chance zur Veränderung?« in den sozialen Medien beworben worden. Die Organisatoren um Marcus Fuchs von den rechtsradikalen »Freien Sachsen« hatten nach eigenen Angaben mit rund 2000 Teilnehmern gerechnet und eine stationäre Kundgebung am Bahnhof, einen Demonstrationszug durch die Stadt sowie am Abend einen Autokonvoi angekündigt. Tatsächlich versammelte sich bis Samstagmittag lediglich ein Häufchen von etwa 140 Personen auf dem Bahnhofsvorplatz.

Die Proteste begannen zeitgleich mit einer Kundgebung in Sichtweite des Bahnhofs. Mit Sperrgittern und zahlreichen Mannschaftswagen hatte die Polizei die Veranstaltungen voneinander getrennt. Mehrere Redner des Bündnisses kritisierten dabei nicht nur die teils antisemitischen Verschwörungserzählungen der »Querdenker«-Szene, sondern prangerten auch das gemeinsame Abstimmen von CDU/CSU, AfD, FDP und BSW bei den Anträgen über Asylrechtsverschärfungen im Bundestag am vergangenen Mittwoch und Freitag an.

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Am Nachmittag blockierten Aktivisten mehrmals die Demonstrationsroute der »Querdenker«, ihr Zug wurde immer wieder gestoppt. Polizisten räumten einige Blockaden und setzten dabei nach Augenzeugenberichten auch Schlagstöcke ein. Mehrere Menschen wurden nach Angaben des Bündnisses gegen Rechts verletzt.

Die Polizei berichtete ihrerseits, Einsatzkräfte seien mit Pyrotechnik, Flaschen sowie Eiern beworfen worden. Auch seien Mülltonnen in Brand gesteckt worden. Um die Situation zu beruhigen und die Sicherheit aller zu gewährleisten, habe man eine Reiterstaffel zur Unterstützung eingesetzt. Polizeisprecherin Jasmin Kaatz sprach von drei leicht verletzten Beamten.

Nachdem sie in mehreren Stunden nur anderthalb Kilometer vorangekommen waren, bliesen die »Querdenker« schließlich zur Umkehr. Trotzig kündigte ein Redner an: »Wir kommen wieder, vielleicht sogar noch vor den Wahlen!« Zum wiederholten Mal wurde über die Lautsprecheranlage »L’amour toujours« abgespielt. Das Discostück von Gigi D’Agostino war durch eine rassistische Umdichtung in die Schlagzeilen geraten.

Eine Gruppe von Göttinger Bürgern hatte unterdessen einen besonderen Spendenlauf organisiert. »Für alle 400 Meter, die die Rechten am 1. Februar 2025 in Göttingen auf ihrer geplanten Route laufen sollten, sammeln wir Spenden für das Netzwerk Polylux zur Stärkung der Zivilgesellschaft im Osten«, sagte Mitorganisator Gregor Dreizehnter dem NDR. Nach dem Wochenende soll die erlaufene Summe bekannt gegeben werden. Die Idee stamme von Protesten gegen die früheren Rudolf-Heß-Gedenkmärsche von Neonazis im bayerischen Wunsiedel.

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