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Berlin: Bauen wie zur Kreidezeit
Schneller-Bauen-Gesetz: Nabu verleiht »Dinosaurier des Jahres« an Senat
Auf diesen Preis hätte der Senat wohl lieber verzichtet: Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zeichnet die Berliner Landesregierung für das Schneller-Bauen-Gesetz mit dem Negativpreis »Dinosaurier des Jahres« aus. Mit dem Preis – eine 2,6 Kilogramm schwere Skulptur einer langhalsigen Urzeitechse – soll auf besonders »rückständige« politische Vorgänge, die sich gegen den Umwelt- und Klimaschutz richten, aufmerksam gemacht werden, so der Nabu in einer Pressemitteilung.
»Wir wissen, dass wir beim Wohnungsbau vor Herausforderungen stehen«, sagt Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Nabu, am Montag bei der Vergabe des »Dinos« vor dem Roten Rathaus. »Aber mit diesem Gesetz werden schon gewonnene Errungenschaften zurückgefahren.« Ein Vertreter des Senats erscheint allerdings nicht. Die Senatskanzlei habe erklärt, dass aus terminlichen Gründen kein Senatsvertreter zu der Preisverleihung am Tag vor Silvester kommen könne, sagt Krüger. So muss die Skulptur auf dem Boden vor dem Eingang abgestellt werden. »Wir schicken den dann noch postalisch nach«, versichert Krüger und hofft, dass der Dinosaurier künftig ein Habitat in einer der zahlreichen Amtsstuben im Roten Rathaus erhält.
In der Vergangenheit sei es nicht immer so gewesen, dass der Preis nicht entgegengenommen wurde, erinnert sich Krüger. Der 2009 für seine »Sinn-Sprüche« ausgezeichnete Ökonom Hans-Werner Sinn etwa habe den Preis noch eigenhändig angenommen und sich anschließend einer Diskussion gestellt, so Krüger. »Das ist ja auch der Sinn der Sache: über Umweltschutz ins Gespräch kommen.« Auch mit dem Senat hätte man gerne über eine Wohnungspolitik gesprochen, die mit dem Umweltschutz vereinbar sei.
»Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus werden Regelungen gestrichen, die für den Klimaschutz, die Artenvielfalt und die Lebensqualität in den Städten unverzichtbar sind«, sagt Krüger über das Schneller-Bauen-Gesetz. »Die einseitige Bevorzugung des Wohnungsbaus führt zwangsläufig zur Verletzung anderer berechtigter Interessen.« Grünflächen seien kein Luxus, sondern unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit der Stadt, die sich auf die Klimakrise einstellen müsse. Die städtische Natur zu schützen, sei kein Selbstzweck, sondern »eine Lebensversicherung«, so Krüger.
Für die Berliner Nabu-Vorsitzende Melanie von Orlow gibt es durchaus Alternativen zur Bebauung von Grünflächen, die mit dem Schneller-Bauen-Gesetz erleichtert wird. »Durch Bauen auf versiegelten Flächen könnte Platz für weitere 75 000 Wohnungen geschaffen werden, ohne weitere Grünflächen zu zerstören«, sagt sie. »Was wir brauchen, sind intelligente Wohnkonzepte und bedarfsgerechtes Bauen vorzugsweise auf bereits versiegelten Flächen.«
Auf Anfrage der Deutschen Presseagentur wollte sich eine Sprecherin der Senatsstadtentwicklungsverwaltung nicht zu der Auszeichnung äußern.
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