Digitale Zwangsarbeit

Die italienische Zeitung il manifesto zu Arbeitsbedingungen bei Amazon Italien

  • Roberto Maggioni
  • Lesedauer: 3 Min.
Amazon – Digitale Zwangsarbeit

Wenn die Ausbeutung von Feldarbeitern auf einen neuen Technologiekoloss übergeht, wird sogar das klassische Kopfgeld »digital«. Dies ist bei Amazon der Fall. Die Untersuchung der Mailänder Staatsanwaltschaft – der 21. im Logistiksektor in nur wenigen Jahren –, hat die Guardia di Finanza dazu veranlasst hat, 121 Millionen Euro bei dem multinationalen E-Commerce-Unternehmen zu beschlagnahmen.

Für den milliardenschweren Amazon-Eigentümer Jeff Bezos sind das nur Brosamen – die aber einen Unterschied für die Arbeitnehmer machen, die nun auf eine reguläre Beschäftigung und angemessene Löhne hoffen können. Die Untersuchung, wie auch die anderen, die von den Staatsanwälten Paolo Storari und Valentina Mondovì durchgeführt wurden, hat den Schleier über die sogenannten »Arbeitskräftepools« gelüftet. Jene Systeme, mit denen sich große Unternehmen Gewinne und wettbewerbsfähige Preise sichern, indem sie Arbeitnehmer über »Filter«-Unternehmen ausbeuten. Ein System, das auch bei den Ermittlungen gegen DHL, GLS, Uber, Lidl und andere ans Licht kam, die wegen der Beschwerden der Basisgewerkschaft SI Cobas durchgeführt wurden.

Die Welt aus linkem Blickwinkel

Die linke Medienlandschaft in Europa ist nicht groß, aber es gibt sie. Manche Zeitungen erscheinen in gedruckter Form täglich, einige wöchentlich, andere monatlich. Online sind sie alle präsent – und nehmen Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs in ihren jeweiligen Ländern. So unterschiedlich diese Medien sind, so ähnlich sind die Fragen und Probleme, mit denen sie sich beschäftigen – und der linke Ansatz, aus dem heraus diese analysiert werden.

In unserer »Europress«-Beilage lassen wir einige der wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 2024 Revue passieren, über Beiträge aus linken und linksorientierten Medien in Europa. Wir wollen zugleich der Zusammenarbeit linker Medienprojekte einen Impuls verleihen. Gerade angesichts des Schulterschlusses rechter und konservativer Kräfte und ihrer Medien. Die Signale dazu, die wir bei der Herstellung dieser Beilage erhalten haben, stimmen uns optimistisch.

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Betrügerischer Mechanismus

Mit ihren Ermittlungen haben die Mailänder Richter bereits etwa 600
Millionen Euro von den Steuerbehörden zurückgeholt, 14 000 Arbeitsplätze
stabilisiert und für 70 000 Beschäftigte eine Lohnerhöhung eingeleitet: eine Art
gewerkschaftliche Aktivität durch die Gerichte. Der »betrügerische Mechanismus ist immer noch in Kraft, mit sehr bedeutenden Verlusten für den Fiskus und zugleich zur Ausbeutung von Arbeitskräften, zum Vorteil von Amazon Italia Transport srl«, schreiben die Staatsanwälte Storari und Mondovì in der Beschlagnahmeverfügung.

Bei Amazon wurde der Unterschied durch neue Technologien gemacht, die Software, die die Angestellten der Unternehmen kontrollierte, die im Namen des amerikanischen Unternehmens beauftragt wurden. Mit Hilfe dieser Technologie organisierte Amazon Italia Transport srl den Vertrieb und die Auslieferung von Waren, einschließlich der so genannten letzten Meile, die scheinbar an externe Lieferanten vergeben wurde, in Wirklichkeit aber direkt kontrolliert wurde. Auf diese Weise übte Amazon Italia Transport srl die vollständige Kontrolle über alle Arbeitnehmer in der Lieferkette aus.

Die »Einzelunternehmen, die mit dem Lieferdienst betraut sind, haben bei der
Ausübung der Tätigkeit keinerlei Ermessensspielraum«, schreiben die Staatsanwälte, »da die Arbeiter nur mit dem von ihnen benutzten Computergerät interagieren können, das mit einer Amazon gehörenden Verwaltungssoftware ausgestattet ist, mit der sie die konkreten operativen Anweisungen zur Durchführung der Liefertätigkeit erhalten. Die von Amazon zur Verfügung gestellte Software und die dazugehörigen elektronischen Geräte«, heißt es in den Unterlagen weiter, »sind so konzipiert und eingerichtet, dass sie die Produktivität maximieren, wobei dem Auftragnehmer keinerlei operative Entscheidungsfreiheit bleibt, sondern ihm nur solche Kompetenzen wie die Organisation von Schichten und die Zahlung von Löhnen verbleiben«.

Il manifesto

Die kommunistische Tageszeitung il manifesto ist bis heute ein wichtiger Bezugspunkt für die italienische Linke. Als eine der ersten Genossenschaft im Medienbereich organisiert, ist die Zeitung unabhängig von Parteien oder Verlegern. Die aktuelle Auflage der Tageszeitung liegt heute bei etwa 20 000 Exemplaren.

Il manifesto entstand 1971 als politisches Projekt, begleitete die Arbeitskämpfe des »roten Jahrzehnts« beim Autokonzern Fiat sowie bei anderen Unternehmen und war getragen von der Welle der 68er-Bewegung, die in Italien besonders heftige gesellschaftliche Umbrüche auslöste.

Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung vom Nazifaschismus rief die Zeitung in diesem Jahr zu einer großen Demonstration am 25. April in Mailand auf. Mehr als 100 000 Menschen kamen zusammen und setzten ein Zeichen gegen die extreme Rechte in Italien und Europa, worüber auch »nd« berichtete.

Drei Minuten für eine Zustellung

Die von Amazon Italia Transport entwickelten Algorithmen ermöglichten auch die Erstellung von sogenannten Manifesten, die den einzelnen Kurieren
regelmäßig zugestellt und in denen die Arbeitszeiten vermerkt wurden, wie zum Beispiel die Zeit zwischen einer Lieferung und der nächsten, die Ankunfts- und Abfahrtszeit am Lieferort oder die Einhaltung der vom Prime-Kunden gewählten Lieferzeiten. Nach den von den Mailänder Richtern eingeholten Zeugenaussagen wird »die Zeit für die materielle Ausführung der Zustellung des Pakets an den Kunden von der Software einheitlich auf drei Minuten beziffert«.

Der Text ist am 24. Juli 2024 in »il manifesto« (Italien) erschienen. Der Beitrag wurde mit KI-Programmen übersetzt, nachbearbeitet und gekürzt.

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