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Mit dem KI-Trainer zur Topform

In Japan wird an der Zukunft des Trainings für Profi- und Freizeitsportler gearbeitet

  • Felix Lill, Tokio
  • Lesedauer: 5 Min.
An einem Messestand des Technologiekonzerns Fujitsu arbeitet eine Hobbybasketballerin mithilfe von künstlicher Intelligenz an ihrem Sprungwurf.
An einem Messestand des Technologiekonzerns Fujitsu arbeitet eine Hobbybasketballerin mithilfe von künstlicher Intelligenz an ihrem Sprungwurf.

In einer lärmigen Messehalle in Tokio wirft Yosuke Nagai einen Basketball am Korb vorbei. Kurz darauf steht er da und hört sich von einer automatischen Stimme an, wie er es hätte besser machen können. Der 43-jährige Hobbysportler möge sich doch ein Beispiel an Yuki Miyazawa nehmen, heißt es, während eine Videowand die Basketballerin des japanischen Erstligisten Fujitsu Red Wave abbildet – und vorführt, wie Miyazawa den Ball mit geschmeidigen Bewegungen mühelos in den Korb wirft.

Was hat die Profispielerin Miyazawa anders gemacht als der Amateur Yosuke Nagai? Die Computerstimme erklärt: Anders als Nagai hatte Miyazawa bei der Ballabgabe zwischen Körperachse und Wurfarm einen Winkel von 15 Grad. Und geworfen habe sie nicht nur mit ihrem Arm, sondern mit voller Körperspannung. Yosuke Nagai nickt zufrieden, als er das hört. »Das hilft schon, wenn man seine eigene Körperhaltung sieht und die dann gleich korrigiert wird. Als ich früher als Kind trainierte, gab es so was natürlich nicht.«

Fujitsu verspricht sofortiges Feedback

Sein Schullehrer habe zwar auch erklärt, man solle Körperspannung halten. »Aber viel darunter vorstellen konnte ich mir damals nicht.« Nun könnte sich das ändern, glaubt Nagai. Und viele der Besuchenden bei der Messe CEATEC scheinen das ähnlich zu sehen. Bei der größten Technologiemesse Japans ist der Andrang auf diesen Stand, an dem man seine Basketballfähigkeiten prüfen lassen kann, besonders groß. Hier zeigt der Konzern Fujitsu eine seiner jüngsten Entwicklungen, die er künftig zu Geld machen will.

Fujitsu hat es auf die Bereiche Gesundheit und Sport abgesehen. Denn hier bestehe für Künstliche Intelligenz (KI) besonders viel Potenzial, erklärt Konzernsprecher Hidetoshi Tomisaka am Rande der Ausstellung. »Im Leistungssport hat es bisher zwar auch Videoanalysen für das Training gegeben. Aber unsere KI arbeitet sehr schnell. Man erhält sein Feedback nicht wie früher nach stundenlanger manueller Auswertung, sondern praktisch sofort.«

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Außerdem reiche für die Nutzung der Software eine normale Smartphone-Kamera. »Teure Ausrüstung ist also gar nicht mehr nötig.« Tomisaka gibt damit einen Hinweis, an wen sich Fujitsu mit seiner Entwicklung richtet: Es geht um den Schulsport, den Nachwuchs im Leistungssport, aber auch den Profibereich. Denn Bewegungsabläufe lassen sich überall optimieren. In der ersten Basketballliga der Frauen in Japan setzt Fujitsu das System bereits für das konzerneigene Team Red Wave ein.

KI funktioniert beim Turnen besonders gut

Künstliche Intelligenz breitet sich seit einigen Jahren in vielen Gesellschaftsbereichen aus. Auch im Sport ist sie schon vertreten. Im Fußball etwa ist der englische Klub Brighton & Hove Albion dafür bekannt, KI für sein Scouting und die Spielanalyse zu verwenden. Je mehr Daten, desto besser die KI. Fujitsu unterstützt mit seinem Judging Support System seit 2019 auch die Arbeit der Juroren bei Turnieren des Weltturnverbands – inklusive der Weltmeisterschaften.

Hidenori Fujiwara, der bei Fujitsu die Abteilung »Human Digital Twin« leitet, sieht hierin einen Durchbruch für den Einsatz von KI im Sport: »Beim Turnen kann unsere KI eigentlich alles bewerten: Sie erkennt den Namen einer durchgeführten Figur, ihren Schwierigkeitsgrad und die Qualität der Ausführung.« Indem die KI objektiv bewerte und dabei keinen Fehler mache, könne auch das Publikum besser nachvollziehen, warum der eine mehr Punkte erhält als der andere.

Der japanische Technologiekonzern wittert einen Milliardenmarkt. Aber wie vielversprechend ist der Einsatz von KI im Sport wirklich? Daniel Memmert, Professor für Trainingswissenschaften an der Deutschen Sporthochschule Köln, sieht vor allem bei Sportarten viel Potenzial, bei denen eine Jury die Leistungen bewertet. Denn Menschen machen Fehler: »Es gibt tatsächlich schöne Studien im Bereich der Sportpsychologie, die zeigen, dass wir einen Kalibrierungseffekt haben.«

Zu Beginn einer Reihe von Evaluationen werde zu Beginn meistens nach der Mitte beurteilt. In anderen Worten: Indem eine Jury am Anfang noch kaum gut einschätzen kann, wie gut die beste Leistung im Teilnehmerinnenfeld sein wird, tendiert sie dazu, nicht schon gleich zu Beginn Topnoten zu vergeben. Eine KI aber bräuchte diesen Vergleich mit den anderen Teilnehmenden für ihre Beurteilungen nicht.

Ideale Technik vs. Menschliche Diversität

Beim Training wiederum sieht Memmert weniger Chancen für KI: »Wenn wir uns die technischen Abläufe anschauen, dann muss man erst einmal wissen, dass es nicht die ideale Technik gibt.« Sportartenübergreifend seien die besten Sportler der Welt nicht in der Lage, ihre eigenen Bewegungen in derselben Situation zu 100 Prozent zu replizieren. »Menschen sind gut in der Anpassung an neue Situationen, aber nicht in der Wiederholung in gleichen Situationen.«

So ist Memmert bei KI-basiertem Training, das vermeintlich ideale Bewegungen vorgibt, skeptisch: »Ich weiß gar nicht, ob das so eine gute Idee ist: Denn was ist der Goldstandard?« Jeder Mensch habe andere Körpermaße, sei verschieden groß, verfüge über unterschiedliche Muskelzusammensetzungen. »Die Menschen sind schon sehr, sehr divers.«

Wird der Einsatz von KI also auf solche Sportarten beschränkt bleiben, in denen Juroren zum Einsatz kommen? Bei Fujitsu glaubt man das nicht. Hidetoshi Fujiwara sagt: »Wir suchen schon nach idealen Typen. Wir wollen aber auch flexibel sein. Mit der Zunahme von Datenverfügbarkeit kann dies gelingen.« Im Moment führe man Gespräche mit Klubs der US-amerikanischen Baseballliga MLB, unter anderem, um bei Schlägen die Verletzungsgefahr zu reduzieren. »Auch beim Fußball sind wir aktiv.«

Und falls sich das Prinzip KI im Profisport nicht durchsetzt, bleibt der Nachwuchs- und Amateursport, wo die Übenden oft noch ganz Grundsätzliches lernen müssen.

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