Räumungsgefahr am Tagebau Hambach

RWE will Sand und Kies für Hambachsee abbauen

2018 gab es eine große Räumung am Tagebau Hambach. Montag könnte eine weitere Räumung hinzukommen.
2018 gab es eine große Räumung am Tagebau Hambach. Montag könnte eine weitere Räumung hinzukommen.

Seit dem September ist das Sündenwäldchen oder Sportplatzwäldchen im Süden des Tagebaus Hambach von Klimagerechtigkeitsaktivist*innen besetzt. Der Wald, der so groß ist wie eine Handvoll Fußballplätze, liegt in der Mitte, zwischen dem seit Jahren besetzten Hambacher Forst und der Steinheide. Zwischen beiden Wäldern soll es eine Vernetzung geben. Sie soll dem Naturraum im Süden des Tagebaus Hambach dienen, einen großen Lebensraum für Tiere und Pflanzen schaffen. Die nordrhein-westfälischen Grünen hatten 2022 bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU für die Waldvernetzung gekämpft. Kommen soll sie nun nur in abgespeckter Version. Ein 250 Meter breiter Streifen Wald soll geschaffen werden. Das Sündenwäldchen, das ideal in eine Waldvernetzung passen würde, soll hingegen abgeholzt und dann abgebaggert werden. RWE braucht den Boden unter dem Wald für die Böschungen des Tagebaus. Der Energiekonzern sieht keine andere Möglichkeit, ein stabiles Ufer für den geplanten See im Tagebauloch herzustellen.

Kurz vor Weihnachten wurde der Wirtschaftsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags über die Änderung der Genehmigung des Braunkohleplans für den Tagebau Hambach informiert. Die Genehmigung sieht vor, das Gebiet um das Sündenwäldchen, das sogenannte Manheimer Loch, für die Gewinnung von Sand und Kies abzubaggern. Die Grüne Landtagsabgeordnete Antje Grothus teilte kurz nach der Sitzung des Wirtschaftsausschusses mit, dass sie der Braunkohleplan mit »einem lachenden und einem weinenden Auge« zurücklasse. Es sei gut, dass die Verkleinerung des Tagebaus Hambach damit »planungsrechtlich final« festgelegt sei, inklusive des Erhalts des Hambacher Forsts und des Dorfes Morschenich. Auf der anderen Seite sei das »Manheimer Loch«. Eine Fläche mit der Größe von 850 Fußballfeldern, auf der Böden zerstört würden und eine Waldvernetzung nicht stattfinden könne. Es sei fraglich, wie die Ziele des Koalitionsvertrags einer großräumigen Waldvernetzung so »ökologisch sinnvoll« umgesetzt werden könnten.

Klimaaktivist*innen und Umweltorganisationen wie der BUND hatten schon in den vergangenen Monaten immer wieder davor gewarnt, dass die Waldvernetzung den Tagebausee-Plänen zum Opfer fallen könnte. Dabei sei die Vernetzung der verschieden Waldgebiete wichtig zur »Sicherstellung des ökologischen Austauschs«. Die geschützte Bechsteinfledermaus etwa nutze Bäume und Sträucher entlang der alten Trasse der Autobahn 4. Auch im Sündenwäldchen hätten die Fledermäuse Quartiere. Allgemein attestiert die Umweltorganisation dem kleinen Wäldchen eine vergleichbar gute Struktur und eine wichtige Rolle als Trittsteinbiotop. »Trotzdem will die RWE Power AG den Wald und die existierenden Ökokorridore zerstören. Dagegen richtet sich der Protest«, kritisiert der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen.

Die Aktivistinnen, die das Sündenwäldchen besetzen, rechnen ab Montag mit einer Räumung der Besetzung. In ihren Infokanälen verbreiten sie die Meldung, dass RWE und Polizei für den kommenden Montag einen Großeinsatz vorbereiten. Laut Informationen der Besetzerinnen sollen sechs Hundertschaften in das Wäldchen einrücken, um es zu räumen. Anschließend soll das Wäldchen gerodet werden. Aktivistinnen der Besetzung und einer Mahnwache berichteten in den vergangenen Tagen immer wieder von Polizeipräsenz um das Sündenwäldchen. Für Sonntagmittag rufen die Naturführer Michael Zobel und Eva Töller zu einem Spaziergang im Sündenwäldchen auf. Ihre Spaziergänge im Hambacher Forst und in Lützerath lockten teilweise Tausende Teilnehmerinnen an. Am Montag rufen sie zum möglichen Räumungstermin früh um fünf Uhr zum Dreikönigsfrühstück auf. Das Motto: »Unsere Steine sind belegte Brötchen – unsere Barrikaden sind gedeckte Frühstückstische«.

Die Besetzer*innen des Sündenwäldchens rufen dazu auf, sich ihnen anzuschließen. Platz in Baumhäusern sei zwar knapp, aber man könne neue Schlafplätze bauen. Anreisenden Aktivistinnen wird trotzdem empfohlen, ein Zelt mitzubringen. Die Polizei des Rhein-Erft-Kreis teilte auf Anfrage von »nd« zu einer möglichen Räumung mit, ein »derartiger Einsatz« sei im Sündenwäldchen »aktuell nicht geplant«.

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