Vierschanzentournee: Debatte um Wunderanzüge der Österreicher

Am Ruhetag der Tournee ist eine Diskussion um das Material der dominanten Österreicher entbrannt

  • Lars Becker, Lans
  • Lesedauer: 3 Min.
Überflieger und Tournee-Führender: Österreichs Daniel Tschofenig
Überflieger und Tournee-Führender: Österreichs Daniel Tschofenig

Karl Geiger konnte über die Diskussion um die angeblichen österreichischen Wunderanzüge nur grinsen. »Natürlich hilft das Material und das Setup muss stimmen. Aber ein Anzug ist noch nie allein geflogen«, sagte der deutsche Skiflieger bei der Halbzeit-Pressekonferenz zur 73. Vierschanzentournee am Donnerstag in Lans. Es spricht für das deutsche Skisprung-Team, dass es sich nicht an Spekulationen über einen Materialvorteil des österreichischen Teams beteiligt – auch nicht als Ausrede für die bisherige deutsche Unterlegenheit bei der Tournee gegenüber dem Team Austria.

In der momentan schwächelnden Skisprungnation Norwegen ist das beispielsweise ganz anders. »Es ist absolut krank! Niemand weiß, was es ist!«, schimpfte die Ex-Topspringerin und TV-Expertin Maren Lundby. »Es ist verdächtig. Da muss etwas sein.« Auch der ehemalige norwegische Tourneesieger Halvor Egner Granerud rätselt: »Wir kratzen uns am Kopf und fragen uns, was sich die Österreicher ausgedacht haben.« Nach dem spektakulären Dreifachsieg beim Tournee-Auftakt in Oberstdorf standen auch beim Neujahrsspringen zwei Österreicher auf dem Podest – mit dem überragenden Sieger Daniel Tschofenig ganz oben.

Solche Ergebnisse lösen in der Skisprungszene automatisch Spekulationen aus – das gehört zum ganz normalen Wettkampfgehabe unter den Teams. Vielleicht auch in der Hoffnung, den einen oder anderen Austria-Flieger ein wenig zu verunsichern. Denn bisher sind die Leistungen von Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft, den drei Österreichern an der Spitze der Tournee-Gesamtwertung, einfach zu dominant. »Wir tragen diese Anzüge bereits seit dem Weltcup-Auftakt in Lillehammer im November und sie sind auch vom Materialkontrolleur der FIS mehrfach abgenommen worden«, wiegelte Austria-Cheftrainer Andreas Widhölzl die Vorwürfe allerdings schon ab.

Die Materialkontrollen im Weltcup sind so streng wie nie – schon allein durch den Bodyscan für jeden Skispringer, der jetzt im zweiten Winter erfolgreich durchgeführt wird. »Bescheißen geht da nicht mehr. In den vergangenen Jahren konnte man sich mit extremen Keilen in den Schuhen in eine noch aerodynamischere Flughaltung katapultieren oder auf seinen Segel-Anzug verlassen«, erkläre TV-Experte Sven Hannawald.

Vor allem die Flieger aus Norwegen, Polen oder Slowenien hatten in der Vergangenheit oft auffällig weite Sprunganzüge speziell im Schrittbereich. Das erhöht wie ein Segel die Tragfläche im Flug, eine der wichtigsten Komponenten für die Weite eines Sprunges. Das Allerwichtigste bleibt jedoch immer noch die springerische Leistung. »Die Österreicher sind schon vom ersten Weltcup an in dieser Saison sehr gut Ski gesprungen. Und wenn ich nicht fünf Weltcups vor der Tournee gewonnen hätte, hätten sie noch viel mehr Podestplätze auf dem Konto«, sagte Pius Paschke und zeigte damit ebenfalls wenig Bereitschaft, sich an der Diskussion um einen österreichischen Wettbewerbsvorteil zu beteiligen. Stattdessen gab Paschke zu, dass speziell die beiden jüngeren Austria-Dominatoren Tschofenig und Hörl aktuell »coole Sachen« beim Absprung und in der Luft machen würden.

Und auch Bundestrainer Stefan Horngacher, selbst Österreicher, wollte von den »Wunderanzügen« am Tournee-Ruhetag nichts wissen: »Sie springen einfach gut. Man muss nicht bei anderen Teams nach Dingen suchen, wir haben mit uns selbst genug zu tun.« Pius Paschke ist sich jedenfalls sicher, dass die deutschen Flieger genauso gut Ski springen können wie die Österreicher – wenn alles passt. Auf infolge der Diskussion um ihre Anzüge verunsicherte Austria-Flieger darf der Sechstplatzierte der Gesamtwertung dabei nicht hoffen. Denn Tournee-Spitzenreiter Daniel Tschofenig kündigte am Ruhetag schon an: »Sie können so viel spionieren, wie sie wollen. Wir haben nichts zu verbergen.«

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