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Die Elbe ist noch immer dieselbe
Unsere Kolumnisten reist zurück in ihre Kindheit an der Elbe in Magdeburg
Die Elbe ist mir vertraut wie kein anderer Strom. In meiner Kindheit gab es viele Freiflächen in meiner Heimatstadt. Magdeburg wurde von einem Kaiser gegründet, seiner Liebsten geschenkt, zweimal ausgemerzt und zweimal wiederaufgebaut. Als Kind rannte ich von der Karl-Marx-Straße in fünf Minuten zum Hang an der Jakobstraße, da lag die Elbe vor mir. Ein glitzernder breiter Fluss. Rechts die Ruine der Johanniskirche und dann nichts mehr bis zum Kloster Unser Lieben Frauen, links das Restaurant des Meeres und eine geschwungene Brücke zur Flottenanlegestelle hinunter. Über allem der Dom.
Auf dem Fluss fuhren Kähne und Ausflugsschiffe, an der Elbuferpromenade gab es Eis und eine große Schraube aus Beton. Wir spielten Verstecken in Kellerruinen und den Kanälen am Kai. In der Elbeschwimmhalle lernte ich schwimmen, auf den Elbwiesen mit meinem Bruder Schlittschuh laufen.
Jahrelang pirschten wir mit unserem Vater auf der Suche nach dem Elbebiber durch die Überflutungsgebiete bei Pretzien. Eines strengen Winters fanden wir drei Wildschweine, die in die Alte Elbe eingebrochen und in der Fluchtbewegung festgefroren waren. Im Sommer radelten wir den Strom entlang zum Salbker See und standen im Herbst mit Pilzkörben auf der Elbfähre vom Kreuzhorst nach Westerhüsen. Wenn das Pretziener Wehr gezogen wurde, ergossen sich Millionen Liter Elbwasser in den Umflutkanal, und wir bangten um den Biber. Der blieb unsichtbar. Einmal trieben ein Fuchs und ein Hase, gemeinsam auf einem Baumstamm sitzend, an uns vorbei.
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.
Am Strand der Alten Elbe, die sich mit der Stromelbe hinter dem Stadtpark Rotehorn vereint und im Sommer gerne austrocknet, fand ich Muscheln, versteinerte Knochen und meine erste Liebe – einen Kanuten, der die Abfahrt am Wasserfall übte. »Nur nicht in die Elbe fallen« war das Motto meiner Jugend und der Witz »Was lernt der Aal in der Elbe? Chemiefacharbeiter!« allgegenwärtig. Die Elbe stank. Früher habe es hier Flussschwimmbäder gegeben, erzählten die Alten in den Buckauer Kneipen, wo ich trinken lernte. Doch 1954 war Schluss, der Fluss zu schmutzig.
Manchmal zogen wir trunken an den Buckauer Elbhafen, klauten ein Boot und spielten Abhauen, bis einer hineinplumpste, wir ihn rauszogen und uns davonmachten. Ein Kumpel balancierte gern auf dem Eisengeländer der Strombrücke, ein anderer schwamm wirklich durch den braunen Fluss zu seiner Schicht im Chemiebetrieb Fahlberg-List. Der ist längst Geschichte.
Bei jedem Heimspiel des 1. FC Magdeburg läuten im Heinz-Krügel-Stadion heute die Domglocken und 25 000 Menschen singen »Ist denn die Elbe immer noch dieselbe?«. Die Elbe hat sich erholt. Inzwischen wird die Sage vorstellbar, nach der einst eine Elbnixe auf dem Magdeburger Marktplatz erschien und ein Kleid von der Farbe der blauen Elbflut trug, das unten immer eine Handbreit nass erschien.
Letzten Sommer suchte ich an der Alten Elbe die Stelle, an die uns mein Vater geführt hatte, stolperte, brach ein und fiel in eine dunkle Höhle, auf etwas Weiches. Ich öffnete unter Wasser die Augen und sah einen Biber entwischen. Ich folgte ihm.
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