Lebenszeichen in der Krise: Alba Berlin gewinnt gegen Bayern

Neun der letzten zehn Spiele hatten die Berliner Basketballer verloren, doch gegen den Tabellenführer gelingt die Überraschung

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 5 Min.
Alba-Aufbauspieler Will McDowell-White (r.) traf beim Überraschungserfolg gegen Bayern München spät im vierten Viertel zwei ganz wichtige Dreier.
Alba-Aufbauspieler Will McDowell-White (r.) traf beim Überraschungserfolg gegen Bayern München spät im vierten Viertel zwei ganz wichtige Dreier.

Wie groß der Druck in den vergangenen Wochen bei Alba geworden war, zeigte sich nach der Schlusssirene am Sonntag. Die Freude sprudelte nur so heraus aus den Berliner Akteuren. Alba-Aufbauspieler Will McDowell-White glaubte nach dem 88:81-Sieg über die Bayern an den möglichen Wendepunkt für die bisher so verkorkste Saison. Sportdirektor Himar Ojeda fühlte sich »gut und erleichtert«. Und Nationalspieler Jonas Mattisseck wollte sich nach dem Erfolg über den deutschen Meister und Tabellenführer zumindest für einen Abend einfach nur freuen.

Noch gelöster wirkte nur Alba-Cheftrainer Israel González, der nach dem Spiel erklärte: »Für mich war das eines der emotionalsten Spiele meiner Karriere.« Was nach einem einfachen Bundesliga-Sieg mitten in der Saison doch etwas übertrieben klang, ist bei näherer Betrachtung durchaus nachvollziehbar. Denn Grund zur Freude hatte der in die Kritik geratene spanische Trainer zuletzt kaum noch. Vor dem Duell mit den Bayern konnte Alba von 33 Pflichtspielen in dieser Spielzeit nur acht gewinnen. Ein Sieg allein verändert zwar nur wenig an dieser Horrorbilanz. Doch der Erfolg gegen den in diesem Jahr übermächtig wirkenden Dauerrivalen aus dem Süden signalisiert Hoffnung – Licht am Ende eines düsteren Tunnels.

Nur acht Siege aus 33 Pflichtspielen

Denn eigentlich war die Geschichte dieser Alba-Saison fast schon fertig erzählt. Aufgrund einer nicht enden wollenden Verletzungsmisere hat die Mannschaft nie ihren Rhythmus gefunden. Die Abgänge von Weltmeister Johannes Thiemann und Topscorer Sterling Brown wurden nicht kompensiert. Im Gegenteil flüchtete mit Trevion Williams die zentrale Neuverpflichtung des Sommers kurz vor Weihnachten schon wieder zu Maccabi Tel Aviv.

Außerdem machten die Talente im Team nicht den erhofften Entwicklungssprung. Offensiv fehlt ein verlässlicher Punktesammler – besonders wenn es eng wird – und defensiv stellt Alba aktuell die viertschlechteste Abwehr der Basketball-Bundesliga (BBL) und die schlechteste in der Euroleague. Noch in der vergangenen Woche warnte Dreierspezialist Matt Thomas nach der Heimpleite gegen Euroleague-Tabellenführer AS Monaco deswegen: »Wir sind an einem sehr schwierigen Punkt der Saison. Es ist wichtig, dass wir all diese Niederlagen nicht einfach hinnehmen.«

In der Basketball-Königsklasse haben die Berliner erneut frühzeitig keine Chance mehr auf die Playoffs. Stattdessen hat die hohe Belastung von 19 Spielen in der Euroleague (gegenüber 13 in der BBL) dazu geführt, dass die ersatzgeschwächten Albatrosse in der Bundesliga in den Tabellenkeller abgerutscht sind. Auch nach dem Erfolg gegen die Bayern liegt Alba in der BBL nur auf Rang 14. Im Pokal ist man sowieso schon ausgeschieden.

Physische Probleme werden zu mentalen Problemen

Und trotzdem herrschte am Sonntag Aufbruchstimmung in der mit 12 377 Fans endlich mal wieder vollen Arena am Ostbahnhof. Das lag auch am dramatischen Spielverlauf. Erneut geriet Alba früh in Rückstand. Schon Mitte des zweiten Viertels führten die Münchner mit 19 Punkten. Aber bis zur Pause kämpften sich die Berliner, die wegen eines Magen-Darm-Virus kurzfristig auf Kapitän Martin Hermannsson verzichten mussten, auf 37:47 heran. »Wir hatten ein bisschen Glück, dass wir in der ersten Halbzeit nur mit zehn hinten waren«, gab Ko-Kapitän Jonas Mattisseck nach dem Spiel zu.

In der zweiten Hälfte blieben die Albatrosse dann aber dran, gingen im vierten Viertel tatsächlich in Führung und konnten sich endlich mal wieder für ihren Kampfgeist belohnen, nachdem in den vergangenen Wochen mehrere späte Comeback-Versuche gescheitert waren. Das habe sich auch auf die Psyche der Spieler ausgewirkt, räumte Israel González nach dem Spiel ein: »Unsere physischen Probleme sind inzwischen auch zu mentalen Problemen geworden. Uns fehlt das Selbstvertrauen. Aber wir versuchen die schlechten Ergebnisse aus den Köpfen der Spieler zu bekommen.«

Am Sonntag klappte es – ausgerechnet gegen die Bayern, die mit ihrem deutlich größeren Budget und Weltmeistertrainer Gordon Herbert eigentlich in jedes BBL-Spiel als haushoher Favorit gehen. Dass Alba in der zweiten Hälfte nur noch 34 Punkte zuließ, lag zwar auch daran, dass die Berliner ausnahmsweise auf einen Gegner trafen, der nach einem Euroleague-Auswärtsspiel zwei Tage zuvor bei Real Madrid noch müdere Beine hatte. Trotzdem zeigten die Hauptstädter eine mutige Leistung, blieben auch in der engen Schlussphase nervenstark und ließen sich von der ohrenbetäubenden Stimmung in der Arena durch die letzten Minuten tragen.

Neues Selbstvertrauen und ein neuer Spieler

»Ich hoffe, dass wir nach so einem wichtigen Sieg gegen das beste Team Deutschlands wieder mehr an uns glauben«, wünschte sich Cheftrainer González nach dem Spiel. Seine Spieler jedenfalls wollten schon direkt nach der Schlusssirene mehr: »Wir dürfen auf keinen Fall zufrieden sein«, kündigte Jonas Mattisseck an. Und Will McDowell-White, der mit zwei späten Dreipunktwürfen für den entscheidenen Vorsprung gegen die Bayern gesorgt hatte, erklärte: »Dieser Sieg bedeutet nichts, wenn wir ihn nicht in den nächsten Spielen bestätigen können.«

Tatsächlich bleibt in der Bundesliga noch eine Menge Zeit, um das Ruder herumzureißen. Alba hat in der BBL noch 19 Partien vor sich. Nach dem Erfolg vom Wochenende liegt man nur noch drei Siege hinter dem ersten Play-In-Platz, über den sich die Teams auf den Plätzen sieben bis zehn für die Playoffs qualifizieren können. Die Endrunde bleibt weiterhin das Ziel, erklärte Sportdirektor Ojeda. Dafür will der Alba-Manager auch noch einen Ersatz für den abgewanderten Trevion Williams holen. Damit der Sieg gegen Bayern wirklich zum Wendepunkt dieser Saison werden kann.

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