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Choriner Musiksommer: Orchester aus dem Osten
Trotz gestiegener Eintrittspreise ist der Vorverkauf gut angelaufen
Politiker und Institutionen wie der Ostbeauftragte der Bundesregierung stellen jedes Jahr aufs Neue fest, dass die ostdeutschen Bundesländer unterschätzt oder gar missachtet werden, zum Beispel bei der Besetzung von Führungspositionen. Aber dass sie sehr gut mit eigenen Kräften zurechtkommen, beweist der Choriner Musiksommer. Er präsentiert von Juni bis August 2025 bei 18 Konzerten allen voran Orchester aus Brandenburg: das Philharmonische Orchester des Staatstheaters Cottbus, die Kammerakademie Potsdam, das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) und das Filmorchester Babelsberg.
Hinzu kommen Orchester und Ensembles aller drei Berliner Opernhäuser – ja, auch die Staatskapelle mit ihrem Salonorchester »Unter’n Linden« mit Dagmar Manzel – und darüber hinaus die Staatskapellen Halle und Weimar, die Jenaer Philharmonie, Andrej Hermlin mit den Swingin’ Hermlins und der Dresdner Kreuzchor.
Altbekannte Gäste aus dem Nachbarland Polen werden 2025 das Philharmonische Orchester Szczecin und die Philharmonie Gorzów sein. Das Abschlusskonzert am 31. August gestaltet wie immer das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin.
Auffallend ist die Abwesenheit des Konzerthausorchesters Berlin, das seit dem legendären Start mit Kurt Sanderling im Jahr 1968 beim Choriner Musiksommer wie zu Hause war. Nach Auskunft von Pressesprecher Rudi Schmid ist der Auftritt in Chorin dieses Jahr terminlich und dispositorisch nicht möglich. Das Wort »dispositorisch« lässt ahnen, dass Chefdirigentin Joana Mallwitz andere Prioritäten gesetzt hat.
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Auch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin wurde in Chorin lange nicht gesehen. Die Berliner Symphoniker gehörten viele Jahre »zum Stamm«, denn der Künstlerische Leiter Gunther Wolff engagierte sie regelmäßig, nachdem der Berliner Senat ihnen 2004 die Zuschüsse gestrichen hatte. Etwas befremdlich erscheint, dass 2024 und 2025 keine Jugendorchester oder jungen Ensembles im Programm stehen. Es waren alle schon da, etwa das Landesjugendorchester Brandenburg oder das Junge Sinfonieorchester Dresden.
Als letztes Jugendorchester spielte 2023 das International Lutosławski Youth Orchestra in Chorin. Das Orchester trage sich finanziell nicht, erklärt der Vorstandsvorsitzende Norman Reichelt das Fehlen. Die Auslastung ist geringer, aber die Kosten sind höher als bei manchen Profis. Man müsse eine gesonderte Förderung organisieren, was schwer ist.
Dem Programm 2025 ist das Bemühen anzumerken, dem klassischen Konzertprogramm Heiterkeit und Unterhaltung beizumischen. Zum Beispiel bietet die Staatskapelle Halle ein Festprogramm mit Musik von Johann Strauss II, das Salonorchester »Unter’n Linden« betört mit Liedern und Texten an den Mond, das Filmorchester Babelsberg bringt eine interessante Auswahl von Filmmusik unter dem Motto »Das Kloster im Film«. Die Eintrittspreise steigen 2025 um 2 bis 7 Euro bei gleichzeitiger leichter Umschichtung der Platzgruppen. Angesichts der gestiegenen Kosten sei das unvermeidlich, meint die Leiterin der Geschäftsstelle, Kerstin Schlopsnies.
Ob das zu geringeren Besucherzahlen führt, bleibt abzuwarten. Der Vorverkauf läuft aber schon einmal gut. Renner sind dabei der Kreuzchor Dresden, die Staatskapelle Halle, das Salonorchester, Andrej Hermlin und das Filmorchester Babelsberg. Die Rasenplätze ohne Sicht auf die Bühne verteuerten sich seit 2010 von 5 auf 13 Euro. Gerade auf dem Rasen im Innenhof lassen sich begeisterte Zuhörer nieder. Diese Plätze gehören einfach zum Image des Choriner Musiksommers.
Das Land Brandenburg fördert den Choriner Musiksommer mit 50 000 Euro »sehr gut«, sagt Norman Reichelt. Der Vorstand des Festivals setzt großes Vertrauen in die neue Landesregierung aus SPD und BSW, wobei die noch junge Wagenknecht-Partei einen Vertrauensvorschuss bekommt.
www.choriner-musiksommer.de
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