Elon Musk und Alice Weidel: Digitaler Faschismus

AfD in Siegerpose: Elon Musk und Alice Weidel treffen sich zu einem virtuellen Live-Gespräch

  • Tatjana Söding und William Callison
  • Lesedauer: 3 Min.
Elon Musk will sie noch stärker machen: Alice Weidel und die AfD.
Elon Musk will sie noch stärker machen: Alice Weidel und die AfD.

Wenn Elon Musk, der reichste Mann der Welt, Alice Weidel am Donnerstag im Livestream auf X die Möglichkeit gibt, das rechtsradikale Wahlprogramm der AfD seinen 211 Millionen Follower*innen vorzustellen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Gespräch zwischen den beiden viele Zuschauer*innen langweilen könnte. Und das trotz der Aufregung und Empörung, die die Ankündigung des Dialogs kurz nach Veröffentlichung von Musks Unterstützungsschreiben für die AfD in der Tageszeitung »Die Welt«, in Deutschland ausgelöst hat.

Mit seiner Einladung folgt Musk einem bewährten Modell: Im August letzten Jahres gab er Donald Trump in einem X-Space über zwei Stunden lang die Bühne für dessen Wahlkampfthemen. Trotz technischer Schwierigkeiten schalteten sich laut Angaben von X 1,2 Millionen Zuschauer*innen zu. Ein wirkliches Gespräch entstand aber – wohl absichtlich – nicht. Musk redete wenig und widersprach Trump nie. Stattdessen überließ er dem damaligen Präsidentschaftskandidaten den Raum, um beispielsweise Migrant*innen als Kriminelle zu diffamieren und für Ölbohrungen zu werben. Musk bot Trump somit zwar Reichweite für seine Hetze, doch im Vergleich zu den 51 Millionen Zuschauer*innen, die die Trump-Biden-Debatte im Juni verfolgten, kann der X-Space nicht als Publikumserfolg gewertet werden. 

Die eigentliche Währung, in der der Gewinn des virtuellen Treffens jedoch gemessen werden muss, ist die Legitimation, die Trump und seinen rechtsradikalen Inhalten durch Musk widerfährt. Weil Musk in der breiten Öffentlichkeit weiterhin als genialer Entrepreneur mit Vorbildcharakter statt rechtsradikaler Demagoge angesehen wird, schafft er es, die politischen Inhalte der Kräfte, die er unterstützt, zu normalisieren. Er ähnelt darin seiner Gesprächspartnerin Alice Weidel, die als Ko-Vorsitzende einer Partei, in der die radikalsten Elemente stetig an Macht gewinnen, die Aufgabe hat, dieser weiterhin ein freundliches Gesicht zu verleihen.

Dementsprechend unspektakulär könnte das Gespräch zwischen Weidel und Musk ausfallen, auch darin wenn rassistische und migrationsfeindliche Tropen und Referenzen auf die Theorie vom »großen Austausch« sicher ihren Platz finden werden. Der eigentliche politische Skandal aber muss sich nicht aus einzelnen Formulierungen im kommenden Gespräch ableiten, er besteht schon vorab in der Ankündigung dieser Veranstaltung – in der damit einhergehenden Normalisierung der vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften Partei und ihrer Präsentation auf einer internationalen Bühne. 

Dass der Musk-Effekt funktioniert, hat jedoch auch etwas mit den verkürzten Reaktionen auf seine Unterstützung der AfD zu tun. Was Musk durch seinen Internetaktivismus betreibt, ist eine internationale Legitimierung rechtsradikaler Parteien und Schlüsselfiguren – und zwar nicht nur in den USA und in Deutschland, sondern auch in Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Argentinien und El Salvador. Durch die gegenseitige Verstärkung ihrer politischen Inhalte schafft es diese internationale Vernetzung, den Rechtsruck auf lokaler Ebene zu beschleunigen. Kurz gesagt: Musk nutzt seine digitale Macht, um dem Faschismus den Weg zu ebnen – und hat damit gerade erst begonnen.

Dass die einzige Gegenwehr, auf die Politiker*innen hierzulande setzen, der Vorwurf der Wahleinmischung ist, ist fatal. Denn wenn das Problem das der Legitimierung Rechtsextremer Inhalte und Hetze ist, muss eine Antwort zwingend eine Delegitimierung dieser konkreten Politik beinhalten und kann sich nicht lediglich auf den Vorwurf, geltendes Recht zu brechen, beschränken. Dass diese Strategie nicht aufgeht, zeigt sich an Donald Trump, der trotz seiner Verurteilungen in weniger als zwei Wochen als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird – und Musk mit ihm.

Tatjana Söding arbeitet als freie Journalistin in Berlin, William Callison ist Lecturer in Social Studies an der Harvard University in den USA. Die Humanökologin und der Politikwissenschaftler sind Mitglieder der internationalen Forschungsgruppe Zetkin Collective, die sich mit dem Erstarken der Rechten in der Klimakrise auseinandersetzt.

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