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Der letzte Linke im Landtag
Es war nicht alles schlecht: BSW übernimmt vier Mitarbeiter und eine Kaffeemaschine von den Sozialisten
Seit ihrer schweren Niederlage bei der Landtagswahl am 22. September ist Brandenburgs Linke im Landtag nicht mehr vertreten. Zuletzt noch zehn Abgeordnete mussten ihre Büros in Potsdam räumen. In ihren besten Zeiten zählte die Linksfraktion 26 Köpfe. Thomas Domres war damals schon dabei. Er ist 1999 in den Landtag eingezogen und hält dort nun als letzter Linker die Stellung – allerdings nicht mehr als Abgeordneter, sondern nur noch als Liquidator der Linksfraktion. Zu dieser Aufgabe gehört: Arbeitszeugnisse für die notwendigerweise gekündigten Mitarbeiter schreiben und das angesammelte Inventar verkaufen oder mangels Kaufinteressenten verschrotten und am Ende alles bei der Landtagsverwaltung abrechnen.
21 Beschäftigte hatte die Linksfraktion zuletzt, die 30 Wahlkreismitarbeiter der zehn Abgeordneten nicht mitgerechnet. Außerdem musste ein Dienstwagen verkauft werden. Den Transporter konnte Domres bereits vor Wochen an den Mann bringen. Die am 12. Dezember im RBB-Fernsehen ausgestrahlte und in der Mediathek noch verfügbare Reportage »Politik im Umbruch – Brandenburgs Landtag sortiert sich neu« zeigt Thomas Domres in der Tiefgarage des Parlaments, wie er den Autoschlüssel des weißen Transporters an den neuen Besitzer übergibt. Der sehenswerte Film von Lars Seefeldt, insgesamt knapp 45 Minuten lang, begleitet auch den BSW-Politiker Robert Crumbach, wie er Thomas Domres in einen Lagerraum folgt und dort einen Kaffeeautomaten aus der Konkursmasse erwirbt.
»Die Kaffeemaschine ist noch kein Jahr alt und wir haben sie jetzt für 700 Euro unter dem Neupreis bekommen. Das ist okay«, erklärt Crumbach. Er war damals Fraktionschef und ist nach wie vor Landesvorsitzender und er handelte eine Koalition mit der SPD aus. Im Dezember wurde der 62-Jährige von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zum neuen Finanzminister ernannt. Sein Nachfolger an der BSW-Fraktionsspitze ist Niels-Olaf Lüders. Dieser zeigt dem »nd« nun den bewussten Kaffeeautomaten, der in der Teeküche der BSW-Fraktion steht. Robert Crumbach habe durchaus ordentlich was dafür bezahlen müssen, so Lüders. Denn zu Freundschaftspreisen verschleudern darf Liquidator Domres das Inventar nicht. Schließlich ist es mal aus Steuermitteln angeschafft worden.
Das BSW hat im Landtagsschloss den Flur bekommen, auf dem früher die Grünen untergebracht waren. Aber die sind am 22. September ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Die Linke saß seit dem 2014 erfolgten Umzug des Parlaments vom Potsdamer Brauhausberg zum Alten Markt in einem anderen Flügel des Gebäudes. Dort ist auch Niels-Olaf Lüders mal zu Gast gewesen, bevor er 2023 aus der Linken austrat und sich 2024 dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anschloss.
Sechs von 14 BSW-Abgeordneten haben eine Vergangenheit in der Linken, aber keiner von ihnen war je zuvor Landtagsabgeordneter. Dennoch sind in den Büros der Fraktion altbekannte Gesichter anzutreffen. Die Sekretärin, die zuvor 30 Jahre für die Linksfraktion gearbeitet hat, ist für ihre letzten Jahre vor der Rente beim BSW beschäftigt. Ebenfalls übernommen sind der Kraftfahrer und zwei Referenten. Als sich der scheidende Linksfraktionschef Sebastian Walter zwei Tage nach der Landtagswahl für das Engagement der Fraktionsmitarbeiter bedankte und ihnen alles Gute für deren berufliche Zukunft wünschte, hatte er durchaus eine Weiterverwendung Einzelner bei BSW im Auge. »Wir Abgeordneten haben unser Übergangsgeld«, weiß er. Doch die Mitarbeiter müssten sehen, wo sie bleiben. Darum könne er verstehen, wenn Kollegen jetzt beim BSW anheuerten.
Walter erhält nach fünf Jahren im Landtag bis zu sieben Monate Übergangsgeld vom Staat. Für Thomas Domres sind es nach 25 Jahren als Landtagsabgeordneter die maximal zugestandenen 18 Monate – theoretisch, ohne dafür einen Handschlag machen zu müssen. Für die Tätigkeit als Liquidator erhält Domres allerdings nichts extra. Noch sind in der »Rumpelkammer« – so nannte die RBB-Reportage den Lagerraum – einige Hinterlassenschaften der Linksfraktion zu finden. Wenn Domres seine Aufgabe erledigt hat, muss er Abschied vom Landtag nehmen. Hätte er 2018 die Bürgermeisterwahl in Perleberg gewonnen, wäre er schon längst gegangen. Nah dran war er damals. Und hätte Die Linke bei der Landtagswahl 2024 die Fünf-Prozent-Hürde geschafft, wäre Domres bis mindestens 2029 Abgeordneter geblieben. »Spätestens in fünf Jahren sind wir wieder da«, zeigt sich der 54-Jährige zuversichtlich.
Einstweilen kann der Ex-Abgeordnete Andreas Büttner (Linke) die Stellung halten. Er ist 2024 zum Landesbeauftragten für die Bekämpfung des Antisemitismus berufen worden. Vorerst sitzt Büttner noch in der Potsdamer Wilhelmgalerie, soll für sich und seine Mitarbeiter jedoch demnächst drei Büros im Landtag erhalten. Das seien Büros, die früher von der Linksfraktion belegt waren, wie Büttner dem »nd« sagt. An seinem neuen Schreibtisch saß früher die Abgeordnete Andrea Johlige.
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