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Neue Zahlen: Fast ein Drittel weniger Asylanträge im Jahr 2024
Bundesamt legt Daten für 2024 vor. Kritik an geplanter Prüfung des Schutzstatus von Syrern
Eine besonders große Zahl von Asylanträgen gab es im vergangenen Jahr nicht. Nach am Donnerstag veröffentlichten Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ging sie 2024 um mehr als 30 Prozent zurück. Es wurden knapp 300 000 Schutzgesuche gestellt und damit fast 100 000 weniger als im Vorjahr. Die mit Abstand meisten Antragsteller kamen erneut aus Syrien, Afghanistan und der Türkei, teilte die Nürnberger Behörde am Donnerstag mit.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die in den vergangenen Tagen bereits einen starken Rückgang bei unerlaubten Einreisen von Ausländern und einen deutlichen Anstieg bei den Abschiebungen bekannt gegeben hatte, wertete auch den Rückgang bei der Zahl der Asylanträge als Erfolg ihrer Politik. »Wir haben die irreguläre Migration stark zurückdrängen können«, sagte sie am Donnerstag in Berlin. Durch die inzwischen eingeführten Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen »durchkreuzen wir die Schleuserrouten«, fügte sie hinzu.
Die aktuell bis März bei der EU-Kommission angemeldeten Kontrollen würden auch über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt. Faeser nahm die Veröffentlichung der Jahreszahlen zum Anlass, den Bundestag aufzufordern, die von ihrem Haus erarbeiteten Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Umsetzung der »Reform« des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) rasch zu beschließen. Das neue Regelwerk sieht unter anderem vor, dass Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote in Lagern an den EU-Außengrenzen festgesetzt werden sollen. Dort soll auch über ihre Asylanträge entschieden werden.
»Einen Anlass für Widerrufsprüfungen für syrische Schutzberechtigte gibt es im Hinblick auf die aktuelle Lageeinschätzung derzeit nicht.«
Filiz Polat
Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion
Dagegen finden CDU und CSU die Zahl der Asylanträge immer noch viel zu hoch. »Sie dokumentieren das Scheitern dieser Bundesregierung in der Migrationspolitik«, sagt die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU). »Die Art und Weise, wie Frau Faeser die Zahlen nun auch noch schönredet, ist mit Blick auf die Situation vor Ort der blanke Hohn«, wetterte Lindholz. Die Unionsparteien fordern eine Zurückweisung aller Menschen, die an den deutschen Grenzen ankommen. Lindholz erklärte, wer aus einem Nachbarstaat nach Deutschland einreisen wolle, sei »nicht mehr bedroht«.
Ungeachtet der hitzig geführten politischen Debatte zu Flucht und Migration war 2024 den aktuellen Zahlen zufolge kein Jahr mit besonders vielen Asylanträgen. In der bisherigen Statistik liegt es auf Rang sieben. Die mit Abstand meisten Anträge wurden 2016 gestellt, als 745 545 Erst- und Folgeanträge eingingen. Die hohe Zahl war unter anderem eine Folge des damals eskalierenden Bürgerkriegs in Syrien.
Mit 44,4 Prozent erhielten 2024 weniger als die Hälfte der Antragsteller einen Schutzstatus. Während die Schutzquote für Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien mit 83 Prozent und dem von den Taliban beherrschten Afghanistan mit 74,7 Prozent vergleichsweise hoch lag, erhielt nicht einmal jeder zehnte Asylsuchende aus der Türkei in Deutschland einen Schutzstatus (9,4 Prozent).
Derweil hat die Bundesinnenministerin am vergangenen Wochenende eine Überprüfung des Schutzstatus für die in Deutschland lebenden Syrer durch das Bamf angekündigt. Er solle aufgehoben werden, »wenn Menschen diesen Schutz in Deutschland nicht mehr brauchen«. Das solle für jene gelten, die kein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen wie Arbeit oder Ausbildung hätten und nicht freiwillig nach Syrien zurückkehrten, so Faeser. Hintergrund ist der Sturz von Langzeit-Machthaber Baschar Al-Assad durch islamistische Kämpfer in Syrien vor gut einem Monat.
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Filiz Polat, warnte derweil vor vorschnellen Entscheidungen. Das Bamf werde wie üblich in jedem Einzelfall Fluchtgründe prüfen; Faeser habe nur die Rechtslage wiedergegeben, sagte sie dem Berliner »Tagesspiegel«. »Einen Anlass für Widerrufsprüfungen für syrische Schutzberechtigte gibt es im Hinblick auf die aktuelle Lageeinschätzung derzeit nicht.« Wiebke Judith von der Flüchtlingsrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte den Vorstoß der Innenministerin als »übereilt und unrealistisch«. Einerseits deute wenig darauf hin, dass es demnächst in Syrien die für Widerrufe nötige Sicherheit und Stabilität geben werde, andererseits wäre damit ein baldiger Kollaps zunächst des Bamf und anschließend der Verwaltungsgerichte absehbar, so Judith. Mit dpa
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