- Politik
- AfD
Musk und Weidel: Steuerfrei zum Mars
»Globalismus« von rechts – die AfD verbündet sich mit US-Tech-Kapital
»Diese Worte waren so schön, es war wunderbar, mit Ihnen zu sprechen«, übte sich AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel am Ende des Gesprächs mit Multimilliardär und Tesla-Chef Elon Musk in höfischer Unterwerfungsrhetorik. »Ihre Ansichten über die Menschheit, Ihre Ideen, das ist alles so visionär.« Davor hatte Donald Trumps »Beauftragter für Regierungseffizienz« tiefe Einblicke in seine extraterrestrischen Pläne gewährt. Er bezifferte die für eine Erstbesiedlung des Mars notwendige Raumfracht auf eine Million Tonnen, schwadronierte über Zivilisationen, die sich »mit einem Planeten nicht zufriedengeben«, und erörterte die philosophische Dimension des Science-Fiction-Romans »Per Anhalter durch die Galaxis«.
Hätte man Musk und Weidel an diesem Abend zum ersten Mal gesehen, wäre man nicht auf den Gedanken gekommen, dass es sich bei den beiden um politische Führungspersonen handeln könnte. Über weite Strecken war die Unterhaltung von einem Gestammel geprägt, dass es zum Fremdschämen war. Besonders charakteristisch für den Abend: Wenn Musk und Weidel nicht recht weiterwussten, brachen sie in kurzes wieherndes Gelächter aus: über Gender-Studien, die Abschaltung deutscher Atomkraftwerke oder den Umstand, dass Ladendiebstahl in Kalifornien in den letzten Jahren nicht mehr zu Anklagen führte. »That’s crazy« – »absolutely«, war einer der häufigsten Wortwechsel.
»Ihre Ansichten über die Menschheit, Ihre Ideen, das ist alles so visionär.«
AfD-Chefin Alice Weidel zu Konzernchef Elon Musk
Allerdings ist jovialer Talk auch vom politischem Spitzenpersonal anderer Parteien häufig kaum zu ertragen. Und auch der Vorwurf, Musks Wahlaufruf für die AfD sei eine »Einmischung von außen« gewesen, geht am Problem weit vorbei. Denn gegen Meinungsäußerungen über Landesgrenzen hinweg ist absolut nichts zu sagen – selbst dann nicht, wenn sie in Form von Social-Media-Mobilisierung erfolgen. Viele internationalistische Bündnisse haben in der Vergangenheit auf diese Weise Öffentlichkeit herzustellen versucht.
Die eigentliche Frage, die jedoch kaum gestellt wird, ist eine ganz andere: Wie kommt es eigentlich, dass sich die AfD, die sich gern als nationale Partei der kleinen Leute präsentiert und gegen die Globalisierung wettert, vom Eigentümer eines der größten Industriekonzerne der Welt protegieren lässt? Auf den ersten Blick passt hier nichts zusammen: Bei der AfD heißt es im Wahlprogramm, der Mittelstand werde »gegenüber multinationalen Großkonzernen systematisch benachteiligt«. Elon Musk hingegen ist transnational unterwegs, um die Interessen von US-Superreichen durchzusetzen. Die AfD wettert gegen die Drosselung russischer Öl- und Gaslieferungen, die Trump-Regierung war schon immer dafür, dass die North-Stream-2-Pipeline dicht gemacht wird und Deutschland seine fossile Energie aus den USA bezieht.
Beim Thema E-Mobililität war dieser Widerspruch offenkundig. Die AfD warb im letzten Wahlkampf mit einem »Blue Deal«, der die Transformationspläne der EU zu Fall bringen sollte. So heißt es im Wahlprogramm von 2021: Der für »Arbeitsplätze zuständige Mittelstand, insbesondere in der metallverarbeitenden Industrie, ist abhängig vom Fortbestand des Verbrennungsmotors. Die heutige einseitige Bevorzugung von Elektromobilität ist sofort zu stoppen, ebenso die Finanzierung der Ladeinfrastruktur aus öffentlichen Mitteln. Die Batterieproduktion belastet die Umwelt außerdem weit stärker als der Verbrennungsmotor.« Das liest sich schon fast wie ein Pamphlet gegen Musks Autokonzern Tesla.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Was aber hält die extreme Rechte dann grenzüberschreitend zusammen? Weidel wurde nicht müde zu betonen, dass die AfD eine »konservativ-libertäre Partei« sei: gegen Unternehmenssteuern, Bürokratie und den Zufluss der Armen aus dem Süden, die natürlich alles potenzielle Kriminelle sind, wie sich Musk und Weidel sofort einig waren. Zudem wetterte Weidel weiterhin gegen »Globalisten«, womit allerdings nicht ihr Gesprächspartner oder der deutschstämmige Großinvestor Peter Thiel, sondern der jüdische Finanzier George Soros und WHO-Sponsor Bill Gates gemeint waren. Trotz dieser antisemitischen Spitze bleibt die AfD allerdings anschlussfähig an die israelfreundliche Staatsräson, wie sie sowohl in Deutschland als auch in den USA etabliert worden ist. Weidel warb für den Krieg Israels gegen die Hamas und eine harte Strafverfolgung der Palästina-Solidarität. Weil das »Volksfremde« aus der Sicht der Rechten heute in erster Linie durch Muslime repräsentiert wird, kann man entspannt auf israelische Staatsbürger blicken.
Mit einem billigen Trick präsentierte sich das Elitebündnis Musk-Weidel zudem als »antifaschistisch«. Die USA hätten die Welt im 20. Jahrhundert dreimal gerettet, zuletzt vor Hitler, ordnete der Tesla-Gründer die Pläne der neuen Regierung historisch ein. Und Alice Weidel soufflierte mit der Aussage, Hitler sei »ein Kommunist« gewesen, der die Wirtschaft auf schrecklichste Weise verstaatlicht habe. Gegen Steuern, arme Einwanderer und Gender-Toiletten – so lässt sich das Programm der neuen globalen Rechten in einer Kurzformel zusammenfassen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.