Norwegens Dominanz gefordert: Frankreich mischt den Weltcup auf

Mit dem Dreifacherfolg beweisen Maillet und Co. in Oberhof: Selbst Norwegens Superläufer sind zu schlagen

  • Lars Becker, Oberhof
  • Lesedauer: 5 Min.
Überlegener Sieg am Oberhofer Grenzadler: Quentin Fillon Maillet aus Frankreich
Überlegener Sieg am Oberhofer Grenzadler: Quentin Fillon Maillet aus Frankreich

Johannes Thingnes Bö war auch an diesem Freitagnachmittag in Oberhof der schnellste Biathlet in der Loipe. Allerdings leistete sich der Gesamtweltcup-Spitzenreiter ungewohnte drei Fehler am Schießstand und so wurde es in diesem Sprintrennen nichts mit der Fortsetzung der norwegischen Siegesserie. Stattdessen krönte Quentin Fillon Maillet als Sieger einen französischen Dreifacherfolg am frisch verschneiten Rennsteig und bewies, dass auch die überragenden norwegischen Biathlon-Männer schlagbar sind.

Die Norge-Männer leisteten sich an diesem kühlen Tag in Thüringen einfach zu viele Fehler am Schießstand – genau wie die deutschen Biathleten. »Beim Mittagessen war ich noch cool drauf. Aber dann wurde die Nervosität immer größer. Man hat wegen der Begeisterung der Fans nicht mal mehr seinen Atem gehört«, kommentierte der deutsche Shooting-Star Danilo Riethmüller. Er schaffte in diesem Winter einen von zwei Weltcup-Podestplätzen für die deutschen Männer, doch an diesem Tag reichte es in seinem Trainingsort Oberhof nur zu Rang 31.

Bester Deutscher war Justus Strelow als 18., dem ein Fehler im letzten Schuss den möglichen Top-Ten-Platz kostete. Der Heimvorteil in Oberhof ist für die deutschen Skijäger bisher eher ein Nachteil: Im Schneematsch am Vortag waren die Talente Julia Tannheimer und Selina Grotian auf den Plätzen neun und zehn im Sprint gelandet. Die Gesamtweltcup-Spitzenreiterin Franziska Preuß stürzte auf einem enttäuschenden 28. Platz und lieferte sich danach eine verbale Auseinandersetzung mit dem Biathlon-Weltverband IBU wegen der Startreihenfolge. Trotz des grausamen Wetters samt immer schlechter werdender Strecke musste sie als Nummer eins der Welt fast als Letzte des Feldes starten.

»Da stapft man durch die nasse Pampe und merkt: Du kommst nicht vom Fleck. Es ist blöd, wenn man da Nachteile hat«, schimpfte Preuß. Der Deutsche Skiverband (DSV) hatte vor dem Rennen noch eine Verschiebung der Startreihenfolge gefordert, war jedoch gescheitert. Am Samstag muss Preuß in den Verfolgungs-Rennen mit einem Rückstand von zwei Minuten auf die französische Überraschungssiegerin Paula Botet auf die Jagd gehen. Am Sonntag wird der Heim-Weltcup in Thüringen mit der Single-Mixed und Mixed-Staffel abgeschlossen.

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Favorit in den Teamrennen sind die Norweger, die bei den Männern sechs Siege in bislang neun Weltcup-Einzelrennen auf dem Konto haben. »So stark und ausgeglichen, wie die norwegische Männer-Mannschaft momentan ist, war sie noch nie in der Geschichte – selbst in den Zeiten der Legende Ole Einar Björndalen nicht«, meint DSV-Sportdirektor Felix Bitterling anerkennend.

Der wichtigste Grund dafür ist bekannt – in Norwegen sind Skilanglauf oder Biathlon Volkssportarten mit riesigem Renommee. Die Kinder kommen quasi schon mit Ski an den Beinen auf die Welt. »Die Sportarten haben einen Stellenwert, von dem wir in Deutschland nur träumen können. Das ist bei uns höchstens im Fußball der Fall«, sagt Bitterling. Auch das Sportsystem in dem reichen skandinavischen Land ist sehr leistungssportfreundlich, was man in Deutschland höchstens bedingt behaupten kann. Die Zahl der Talente in Norwegen ist aus all diesen Gründen exorbitant höher.

Zunehmend wichtiger wird in Zeiten des Klimawandels zudem, dass es in Norwegen immer noch ausreichend Schnee gibt. Im hohen Norden kann man dort mancherorts immer noch von Anfang Oktober bis Mitte Mai trainieren. In Deutschland reicht der Naturschnee selbst in den Alpen meist nur von Dezember bis März.

Die wichtigsten Gründe für die aktuell drückende Überlegenheit bei den Männern nennt jedoch Sverre Olsbu Roiseland. »Was wir in Norwegen gut machen, ist die Verantwortung für das eigene Training. Schon Teenager lernen, was gut für sie ist und sind quasi alles kleine Coaches«, sagt der Trainer der deutschen Biathlon-Frauen und fügt hinzu: »Zudem hat Norwegen vor einigen Jahren die Arbeit im B- und Nachwuchs-Team forciert – und jetzt pushen sich die Sportler zu immer neuen Höchstleistungen.«

Es gibt mindestens 15 Männer aus Norwegen, die jederzeit in der Lage sind, in die Top 10 der Biathlon-Welt zu laufen. Es gibt allerdings nur sechs Startplätze für die Dominatoren im Weltcup. Wer nicht ums Siegerpodest mitlaufen kann, muss für Talente aus dem IBU-Cup weichen. So kam neulich in Frankreich auch der 23 Jahre junge Martin Uldal neu ins Team und feierte beim ersten Einsatz gleich einen Weltcup-Triumph.

In der Verfolgung setzte Uldal in Sachen Schießen zudem eine neue Benchmark: Beim letzten Stehendschießen gab er den ersten Schuss nach 5,5 Sekunden ab und war nach 13 Sekunden fertig. Bislang galten Serien von unter 20 Sekunden schon als außergewöhnlich schnell. Uldal schafft auch deshalb neue Rekorde, weil er das Gewehr unter dem linken Arm durchzieht und dabei schon das Magazin einlegt – statt es wie alle anderen über die Schulter zu holen. Auch im Sprint von Oberhof war Uldal als Fünfter bester Norweger.

»Uldal ist gelaufen, als hätte er ein Messer zwischen den Zähnen. Er wusste, dass er nur diese eine Chance hat und liefern muss«, so Bitterling. Es ist ein »Überlebenskampf« im norwegischen Team, der zu außergewöhnlichen Leistungen anstachelt. So muss sich selbst der fünfmalige Olympiasieger und 20-malige Weltmeister Johannes Thingnes Bö in jedem Training immer wieder der internen Konkurrenz stellen – auch wenn er im Gesamtweltcup auf seinen sechsten Sieg seit 2019 zusteuert.

In den Weltcup-Einzelwertungen liegt nur im Massenstart kein Norweger an der Spitze – dort führt Danilo Riethmüller. Er profitiert von der Konzentration immer mehr deutscher Top-Biathleten in Oberhof. Männer-Laufcoach Jens Filbrich: »Wir versuchen das wie die Norweger zu machen mit dem internen Konkurrenzkampf – so können wir hoffentlich die letzten Prozente rauskitzeln, um Medaillen zu gewinnen.« Dazu muss man freilich auch am Schießstand treffen.

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