Arbeitspflicht für Sozialleistungen

Französische Gewerkschaften und linke Parteien warnen vor Trend zu »Zwangsarbeit ohne Bezahlung«

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 3 Min.
Arbeitslose vor einem französischen Arbeitsamt
Arbeitslose vor einem französischen Arbeitsamt

Bereits 1988 wurde die 1945 per Gesetz eingeführte »historische« Sozialhilfe durch das RMI (Grundeinkommen zur Eingliederung) abgelöst. Die Rückführung in den Arbeitsprozess und zu einem selbstbestimmten Leben blieb über viele Jahre die schwache Seite dieses Systems. Das hat sich auch seit der Umwandlung des RMI ins RSA (Aktives Solidareinkommen) nicht wesentlich geändert. Stattdessen werden die Bedingungen für den Bezug der Hilfe jetzt verschärft. Pro Woche sollen neuerdings mindestens 15 Stunden »gesellschaftlich nützliche Arbeit« geleistet werden. Was das konkret heißt, bleibt vage.

Gegenwärtig beziehen rund vier Millionen Menschen RSA. Das sind 7 Prozent der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter. Der Satz liegt bei 954 Euro für eine Person oder 1144 Euro für ein Paar, dazu kommen pro Kind 254 Euro. Laut Gewerkschaften der Mitarbeiter der Arbeitsämter sind 1,2 Millionen »arbeitsfähige« RSA-Bezieher von den insgesamt 4,1 Millionen Anspruchsberechtigten seit dem 1. Januar automatisch als Arbeitsuchende registriert. Für sie wird die RSA-Zahlung mit dem Arbeitslosengeld verrechnet.

Was unter der im Gesetz angeführten Arbeitspflicht konkret zu verstehen ist, wurde den Arbeitsamt-Mitarbeitern in den Schulungen zur Umstellung nur andeutungsweise mitgeteilt. Darüber soll zwischen dem Arbeitsamt und dem RSA-Bezieher ein sogenannter Verpflichtungsvertrag abgeschlossen werden. So kann man für die Hälfte der wöchentlich 15 Stunden Weiterbildungs- oder Umschulungskurse, Bewerbungstrainings und Vorstellungsgespräche anrechnen lassen.

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Was in der anderen Hälfte dieser Zeit gearbeitet werden soll, bleibt vorläufig offen. Spekuliert wird, dass es sich vor allem um Hilfsarbeiten für die Kommunen oder für soziale Hilfsvereine handeln wird. Solche Arbeiten werden freiwillig und ehrenamtlich von Bürgern geleistet, deren Zahl jedoch vielerorts nicht ausreicht.

Offiziell präzisiert wird vor allem, dass die RSA-Zahlung »ausgesetzt« wird, wenn sich der Anspruchsberechtigte seinen Verpflichtungen »entzieht«. RSA-Bezieher, die aufgrund ihres Alters oder aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können, bleiben davon ausgeklammert, ebenso wie Alleinerziehende.

Gewerkschaften und linke Parteien lehnen die Arbeitsverpflichtung prinzipiell ab und bezeichnen diese als »Zwangsarbeit ohne Bezahlung«. Sie verweisen auf deren rechts-populistischen Hintergrund. Emmanuel Macron hatte die Neuregelung im Präsidentschaftswahlkampf 2022 versprochen. Dabei griff er Argumentationen von rechten und rechtsextremen Politikern und Wählerkreisen auf, die gegen Hilfebezieher Stimmung machten und sie bisweilen sogar als »Sozialschmarotzer« bezeichnen. Die Gewerkschaften warnten bereits im Herbst vor undemokratischen und unsozialen Konsequenzen des neuen Gesetzes, konnten es im Parlament aber nicht stoppen.

Das linke Parteienbündnis Neue Volksfront hat inzwischen einen Antrag an den Verfassungsrat gerichtet, die Arbeitsverpflichtung für RSA-Bezieher auf Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen. Die Volksfront bezieht sich dabei auf ein Gutachten der Nationalen Konsultativkommission für Menschenrechte vom Dezember 2024. Sie bezeichnet die Neuregelung als mit den Menschenrechten unvereinbar; das in der Verfassung von 1946 garantierte »Existenzminimum« und die durch die Bürger »frei gewählte soziale und berufliche Eingliederung« seien nicht gewährleistet.

Francine Royon, Vorsitzende der CGT-Fachgewerkschaft für das Arbeitsämternetz France Travail, fasst das Problem zusammen: »Es hat doch keinen Sinn, Menschen, für die es schlichtweg ums Überleben geht, 15 Stunden Zwangsaktivitäten pro Woche aufzuzwingen.«

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