AfD-Leute sollen nicht Schule machen

Petition gegen die Wahl des Abgeordneten Dominik Kaufner zum Vorsitzenden des Bildungsausschusses

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Als Lehrer für den Landtag beurlaubt: Abgeordneter Dominik Kaufner im Parlament
Als Lehrer für den Landtag beurlaubt: Abgeordneter Dominik Kaufner im Parlament

Stefan Tarnow ist 18 Jahre alt, besucht die 12. Klasse eines Gymnasiums und ist in Brandenburg Sprecher des Landesschülerrats. Nebenbei arbeitet er auch ein bisschen für die Landtagsabgeordnete Nadine Graßmel (SPD), bestätigt er dem »nd« am Dienstag. Er sei selbst jedoch kein SPD-Mitglied, versichert Tarnow.

Woher die Frage danach kommt, ist ihm klar. Tarnow startete im Namen des Landesschülerrats eine Petition, weder den AfD-Abgeordneten Dominik Kaufner noch irgendeinen anderen AfD-Politiker zum Vorsitzenden des Bildungsausschusses im Landtag zu machen. Das ärgert den AfD-Landtagsabgeordneten Dennis Hohloch, und er fordert am Dienstag den Rücktritt von Tarnow als Sprecher des Landesschülerrates, der politisch neutral sein müsse. Hohloch vermutet mit Blick auf Tarnows Tätigkeit für die Abgeordnete Graßmehl, dass die SPD hinter der Petition stecke. Das dementieren sowohl die SPD als auch Tarnow.

»Die AfD hat sich immer wieder durch rechtsextreme Rhetorik, die Verbreitung von Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen und die Ablehnung von Vielfalt und Toleranz hervorgetan«, heißt es in der Petition. Die AfD könnte den Chefposten im Bildungsausschuss missbrauchen, »um diskriminierende und ideologisch geprägte Inhalte in die Bildungsarbeit einfließen zu lassen«. Bereits mehr als 9000 Unterschriften zählte die Petition am Dienstag gegen 16 Uhr, fast 6000 davon am selben Tag geleistet. Für diesen Mittwoch ab 14 Uhr ist eine Demonstration vor dem Landtag geplant, die vom Landesjugendring und Elternbeiräten unterstützt wird.

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Nach der Landtagswahl vom 22. September konstituieren sich dieser Tage die einzelnen Ausschüsse des Parlaments, dann steht jeweils gleich zu Beginn die Wahl der Vorsitzenden auf der Tagesordnung. An diesem Mittwoch sind neben dem Bildungsausschuss noch vier andere Ausschüsse an der Reihe. Jeder Fraktion stehen entsprechend ihrer Größe solche Posten zu.

»Es ist ja unbenommen, dass die AfD das Vorschlagsrecht hat«, sagt der SPD-Abgeordnete Ludwig Scheetz zum Fall Kaufner. Doch die SPD werde generell nicht für AfD-Vorsitzende stimmen, sich von Fall zu Fall höchstens enthalten. Der Stimme enthalten haben sich die Sozialdemokraten schon beim AfD-Abgeordneten Benjamin Filter, der dann mit den Stimmen von AfD und BSW den Chefposten im Wahlprüfungsausschuss erhielt. Doch der Bildungsausschuss sei ein sensibler Ausschuss, erklärt Ludwig Scheetz, warum sich seine SPD dort nicht nur enthalten, sondern geschlossen gegen Kaufner stimmen werde.

Dr. Dominik Kaufner ist 41 Jahre alt. Er stammt ursprünglich aus dem niederbayerischen Mainburg, studierte an der Universität Regensburg und lebt inzwischen in Dallgow-Döberitz. Die letzten neun Jahre vor seinem Einzug in den Landtag Ende vergangenen Jahres unterrichtete er Englisch und Geschichte an einem Gymnasium in Berlin. Kaufner erklärt, er wäre als Vorsitzender nach seinem Verständnis doch lediglich dafür zuständig, die Sitzungen zu leiten, und nicht dafür, dem Bildungsausschuss ein Geschichtsbild vorzusetzen. Befragt nach seinem eigenen Geschichtsbild, sagt Kaufner: »Ein positiver Bezug zur deutschen Geschichte gehört für mich dazu. Ich glaube, das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.« In der Petition werde nichts zu seiner fachlichen Eignung gesagt, merkt Kaufner an.

Nach Ansicht seines Fraktionskollegen Hohloch ist Kaufner »unfassbar geeignet für diese Position«. Noch nie sei ein Vorsitzender des Bildungsausschusses so kompetent gewesen wie Kaufner, behauptet Hohloch, der von Beruf ebenfalls Geschichtslehrer ist und ebenfalls in Berlin unterrichtet hat, bevor er 2019 in den Landtag einzog. Hohloch kann sich auch nicht erinnern, dass Brandenburg einmal einen Bildungsminister hatte, der so kompetent gewesen wäre wie sein Parteifreund Kaufner.

Tatsächlich haben Brandenburger Bildungsminister wie aktuell Steffen Freiberg und vor ihm Britta Ernst Politik studiert. Um noch einige Beispiele zu nennen: Martina Münch war Ärztin, Steffen Reiche Theologe. Alle waren keine Pädagogen, aber Sozialdemokraten. Doch Holger Rupprecht wirkte 13 Jahre lang sehr erfolgreich als Direktor des Potsdamer Humboldt-Gymnasiums, bevor er 2004 Bildungsminister wurde und es bis 2011 blieb. Der AfD-Politiker Hohloch ist in Potsdam geboren und in Rupprechts Zeit als Schulleiter und Bildungsminister in dieser Stadt zur Schule gegangen, hat allerdings ein anderes Gymnasium besucht.

Kaufner soll Informationen der Springer-Presse zufolge zu den 11 von 30 AfD-Landtagsabgeordneten gehören, die vom Verfassungsschutz als Rechtsextremisten eingestuft werden. »Wir haben keine internen Informationen aus dem Verfassungsschutz«, sagt CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Die CDU habe stattdessen öffentliche zugängliche Informationen gesichtet. Demnach habe Kaufner für die Zeitschrift »Sezession« des als gesichert rechtsextremistisch geltenden Instituts für Staatspolitik geschrieben und dort angekündigt, sich als Abgeordneter gegen »Geschichtsklitterung« einzusetzen.

Die CDU werde gegen Kaufner stimmen, kündigt Fraktionschef Redmann an. Die CDU sei für Meinungsvielfalt im Geschichtsunterricht, der nach ihrem Geschmack zu »woke« und »zu links« sei. Aber wenn im Unterricht keine unterschiedlichen Geschichtsbilder vermittelt werden sollten, sondern nur ein rechtsextremes, dann sei das mit der CDU nicht zu machen. Redmann betont: »Die AfD möchte gerne als normale Partei behandelt werden, obwohl sie keine normale Partei ist.«

»Die AfD möchte gerne als normale Partei behandelt werden, obwohl sie keine normale Partei ist.«

Jan Redmann CDU-Fraktionschef

Das als neurechte Denkfabrik geltende Institut für Staatspolitik löste sich 2024 auf. Doch die »Sezession« erscheint weiter. Zu ihren Autoren gehören der Verleger Götz Kubitschek und mit Martin Sellner der frühere Kopf der Identitären Bewegung in Österreich.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) macht es anders als der Koalitionspartner SPD und die oppositionelle CDU. Die BSW-Fraktion werde der AfD nicht dauerhaft verwehren, den Vorsitz im Bildungsausschuss zu übernehmen, sagt Fraktionschef Niels-Olaf Lüders. Es sei keine kluge Strategie, das demokratische Prozedere nicht zu beachten. Die AfD könnte das dann über Wochen und Monate für sich ausschlachten.

Beim bisher üblichen Umgang mit der AfD sei diese Partei nur immer stärker geworden. Die Vita von Kaufner sei »nicht ganz ohne«, bestätigt Lüders. Aber das sei nicht der Punkt. Das BSW interessiere als Friedenspartei zunächst, dass die AfD fünf Prozent des Bundeshaushalts für die Rüstung ausgeben wolle. Geld müsste auch beim Bildungswesen eingespart werden. Was Kaufner betrifft, will sich das BSW erst einmal enthalten und sich ansonsten bei dergleichen Personalentscheidungen die konkrete Person anschauen. Dabei werde man Lüders zufolge unter Umständen auch von den Einschätzungen des Verfassungsschutzes abweichen.

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