Hungrig im Unterricht sitzen

Volksinitiative für kostenloses Mittagessen an Brandenburger Grundschulen für unzulässig erklärt

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Soll es das wert sein? Zumeist fünf bis sechs Euro oder mehr kostet das Schulessen in Brandenburg pro Mahlzeit.
Soll es das wert sein? Zumeist fünf bis sechs Euro oder mehr kostet das Schulessen in Brandenburg pro Mahlzeit.

Mit den Stimmen von SPD und BSW hat der Hauptausschuss des brandenburgischen Landtags die Volksinitiative »Schule satt« als unzulässig eingestuft und das Anliegen damit zurückgewiesen. Die von der Linken, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Eltern getragene Initiative für ein kostenloses Mittagessen an Grundschulen kündigte an, vor das Landesverfassungsgericht ziehen zu wollen.

Im September 2024, kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg, wurden Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) mehr als 27 000 Unterschriften übergeben. Damit hatte die Volksinitiative das erforderliche Quorum erreicht. Zu einer Behandlung des Anliegens im Landtag war es vor dem Wahltermin 22. September nicht mehr gekommen.

Obwohl das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) das kostenlose Schulessen selbst befürwortete, folgte die Partei im Hauptausschuss am Mittwoch der Einschätzung des parlamentarischen Beratungsdienstes, dass es sich bei dieser Initiative um ein unzulässiges Anliegen handele. BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders argumentierte, dass schon die Überschrift »Schule satt« fragwürdig sein könnte, dass aber auf jeden Fall die »Gesamtschau« der Argumente des Beratungsdienstes die Ablehnung der Initiative erfordere. Die Vision des kostenlosen Essens sei zwar zu begrüßen. Die Haushaltslage des Landes indessen lasse solche Geschenke nicht zu. Im Übrigen werde bei Bedarf und nachgewiesener Bedürftigkeit der Familien schon heute das Mittagessen für Kinder kostenlos gewährt.

Die Linke ist im Landtag nicht mehr vertreten. Eine Lanze für die Initiative »Schule satt« brach dort Jan Redmann, Vorsitzender der oppositionellen CDU-Fraktion. Er warf dem BSW vor, Wahlversprechen nicht einzuhalten, zumindest aber Versprechungen gemacht zu haben, ohne mit der Finanzlage des Landes vertraut zu sein. Wenn sich das BSW von der »Gesamtschau« der Argumente leiten lasse, dann erinnere das an dunkle Phasen der deutschen Justizgeschichte, in denen Strafurteile mit Verweis auf eine solche »Gesamtschau« gefällt worden seien, erklärte Redmann, der von Beruf Rechtsanwalt ist.

Den Vorwurf mangelnder Rechtsstaatlichkeit wies Lüders, selbst Rechtsanwalt, entschieden zurück. Mit seinem Antrag, der Volksinitiative zumindest eine Anhörung im Hauptausschuss zuzugestehen, drang der CDU-Politiker Redmann nicht durch. Er war der Einzige, der für diesen Vorschlag stimmte.

Der ehemalige Linksfraktionschef Sebastian Walter, der zusammen mit seiner Ex-Fraktionskollegin Kathrin Dannenberg und weiteren Unterstützern auf den Besucherplätzen des Hauptausschusses saß, warnte davor, »die Volksinitiative einfach so in den Mülleimer zu schieben«. Die Koalition aus SPD und BSW sei in der Pflicht, »mit uns als Bündnis ins Gespräch zu kommen«. Walter sagte weiter: »Tausende Familien haben auf echte Entlastung durch die Landesregierung gehofft und auf die Wahlversprechen vertraut. Wie sollen Menschen Vertrauen in die Politik haben, wenn schon in der ersten Amtshandlung alle Zusagen einfach hinten runterfallen?«

»Wir werden vor das Verfassungsgericht ziehen«, kündigte Mike Döding von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für die Volksinitiative an. »Wenn jede Volksinitiative allein durch den Hauptausschuss für unzulässig erklärt werden kann, dann kann man sich auch gleich die direkte Demokratie als Ganzes sparen«, sagte er. Katharina Slanina sprach als Vorstandsvorsitzende der brandenburgischen Volkssolidarität von einer »krassen Missachtung« der Forderung von mehr als 20 000 Brandenburgern.

Seit die Initiative vor mehr als einem Jahr startete, haben sich die von den Eltern zu bezahlenden Preise für das Schulessen in Brandenburg noch erhöht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Bund nach der Corona-Pandemie den Mehrwertsteuersatz für Schulessen wieder auf 19 Prozent setzte. Angesichts leerer Kassen sinkt die Bereitschaft der Kommunen, dies finanziell auszugleichen. Darum wollte die Volksinitiative das Land Brandenburg in die Finanzierung einbinden.

Eine Mahlzeit kostet je nach Kommune zwischen fünf und sechs Euro, zuweilen auch mehr. »Durch die hohe Inflation der letzten Jahre gerieten viele Eltern finanziell an ihre Grenzen«, sagte Andreas Kaczynski vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. »Eine sichtbare Konsequenz: Immer mehr Abmeldungen beim Mittagessen in Kita und Schule.«

Rund 100 Millionen Euro im Jahr würde es das Land Brandenburg kosten, das Schulessen grundsätzlich kostenfrei zu stellen.

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