Der Allmacht-Phantast im Anmarsch

Donald Trumps zweite Präsidentschaft beginnt mit absolutistischen Anwandlungen

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Wegen eisiger Kälte wird die Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Trump ins Kapitol verlegt.
Wegen eisiger Kälte wird die Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Trump ins Kapitol verlegt.

Seit Menschengedenken gab es zwischen US-Wahl im November und Amtseinführung im Januar keine Übergangszeit, in der der Sieger schon vor Amtsantritt den Noch-Präsidenten so kalt gestellt hat wie Donald Trump zuletzt Joe Biden. Der Wechsel vom 46. auf den 47. Präsidenten, der am heutigen Montag mit Trumps Inauguration vollzogen wird, glich einem Putsch durch mediale Überwältigung.

Nach dem 5. November, als Trump gegen die Kandidatin der Demokraten, Bidens Vize Kamala Harris, die Mehrheit der Wähler- wie der Wahlleute-Stimmen und zudem die Mehrheit in beiden Kongress-Kammern gewann, verstummte Biden. Der designierte Präsident indes erzeugte mit Macht ergreifenden Forderungen ein Dauergewitter, das die Aufmerksamkeit der USA wie der Weltöffentlichkeit konsumierte. Grönland solle US-amerikanisch und der Panama-Kanal wieder von Washington kontrolliert werden. Den Einsatz militärischer Macht schloss er nicht aus. Kanada wünschte er sich als 51. US-Bundesstaat.

Schon vor Amtsantritt testete Trump, wie weit er gehen kann. Dazu gehört in neuer Qualität die beispiellose Verquickung politischer Macht des Präsidenten mit mehreren der finanzstärksten und einflussreichsten Techgiganten in Gestalt von Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und vor allem Elon Musk. Joe Biden hatte genau sie im Sinn, als er in seiner Abschiedsrede vor der neuen Macht »des technisch-industriellen Komplexes« warnte: »Heute nimmt in Amerika eine Oligarchie mit extremem Reichtum, Macht und Einfluss Gestalt an, die unsere gesamte Demokratie, unsere Grundrechte, die Freiheiten und die faire Chance für jeden, voranzukommen, bedroht.«

Als Oligarchen werden Menschen, speziell Großunternehmer bezeichnet, die mit wenigen anderen nebst ökonomischer korrupt auch politische Macht über ein Land oder eine Region ausüben. Das beschreibt die heutigen USA. Nicht, weil die Macht des Geldes an sich ein neuer Faktor in den Vereinigten Staaten wäre. Natürlich nicht. Neu ist aber dreierlei: Der Reichtum von Männern wie Musk, Bezos und Zuckerberg ist selbst für US-Verhältnisse präzedenzlos. Zweitens setzen sie mit Social-Media-Plattformen ihren beispiellosen Geldreichtum sekündlich für immer größere Lawinen »von Fehlinformationen und Desinformationen« (Joe Biden) ein. Und drittens entsteht mit ihrer Nähe zum Präsidenten ein beispiellos kurzer Draht zwischen Wirtschaftsgrößen und mächtigstem US-Politiker. Für Demokratie wird die Luft da sehr schnell sehr dünn.

Im Innern plant der Oligarchen-Präsident ein Steuerpaket, das arbeitnehmer- und umweltfreundliche Regulierungen der Biden-Zeit rückgängig macht. Den öffentlichen Dienst will er radikal schrumpfen und mit Günstlingen ersetzen. Oligarchen wie Elon Musk, der bereits in der Übergangsphase wie Trumps Premier auftrat, wollen den Staat noch mehr auf sich zuschneiden. Bis zu elf Millionen »nicht dokumentierte« Immigranten will Trump abschieben. Das im 14. Verfassungsartikel garantierte Recht, das jedem in den USA Geborenen auch deren Staatsbürgerschaft sichert, möchte er abschaffen. Der Zentralbank Fed will er den Leitzins diktieren. Zur Bekämpfung von Drogenkartellen will er »Raketen nach Mexiko schießen« und bei Unruhen im Land erwägt der Präsident bisher Undenkbares – Einsatz der Armee gegen Zivilisten.

In der neuen geopolitischen Konkurrenz USA – China – Russland besteht Unsicherheit in der Frage, wie Trump-2 sich positionieren wird. Das gilt auch für Russlands barbarischen Krieg gegen die Ukraine. Denkbar ist ein Deal mit dem Kreml zulasten Kiews, aber auch Entscheidungen, die dem Aggressor weh tun könnten.

US-Militärstratege Keith Payne, einst Berater des Verteidigungsministers, setzte sich in der »Welt« mit Trumps Einstufung als Isolationist, Putin-Freund und Nato-Kritiker auseinander. Diese westliche Panikstimmung resultiere aus Fehlurteilen. Eine besonnenere Analyse gelange zu ganz anderen Schlüssen. »Ja, Trump hat in der Tat viele wohlhabende Verbündete für ihre anhaltend niedrigen Verteidigungsausgaben in einer Zeit nie dagewesener Sicherheitsbedrohungen für den Westen scharf kritisiert – und wird dies vermutlich auch weiterhin tun. Für ihn und die populistische ›America First‹-Bewegung ist es nicht mehr hinnehmbar, dass das Bruttoinlandsprodukt der europäischen Nato-Staaten und Kanadas zusammen fast so hoch ist wie das der Vereinigten Staaten und die Pro-Kopf-Verteidigungsausgaben bei 669 Dollar pro Jahr liegen, während die jährlichen Pro-Kopf-Verteidigungsausgaben der Vereinigten Staaten mit 2239 Dollar mehr als 300 Prozent höher sind.« (Anmerkung: Wenn 669 Dollar 100 Prozent sind, sind mehr als 300 Prozent mehr, mehr als 2676 Dollar, d. Red.)

Diese Ablehnung sei aber »nicht gleichbedeutend mit einer Hinwendung zum Isolationismus«, so Payne weiter. Trumps Weltsicht lasse erwarten, »dass sich die neue Regierung der offensiven Politik von Gegnern wie Russland oder China entschlossen widersetzen wird und dafür wahrscheinlich auch einen höheren Verteidigungshaushalt durchsetzen kann. Die USA werden in der Nato bleiben, und Washington wird auch die zur Verteidigung erforderlichen militärischen Fähigkeiten stärken, einschließlich der erweiterten nuklearen Abschreckung für die Verbündeten.«

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