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Iberisches Finale ganz ohne Real
Unser Kolumnist blickt auf das erste Pokalfinale der Landesmeister ohne Madrid
Beim letzten Mal war Lionel Messi noch dabei. Na ja, nicht so richtig, nur als Zuschauer oben auf der Tribüne im Nou Camp. Der FC Barcelona hatte schon vor dem letzten Vorrundenspiel Platz eins und damit einen Platz in den Playoffs der Champions League sicher. Also gönnte sich der beste Fußballspieler der Welt ein Päuschen, und so hielten es die meisten seiner Kollegen an jenem Wintertag des Jahres 2012. Mit einer besseren Reservemannschaft langweilte sich der FC Barcelona zu einem auch in dieser Höhe verdienten 0:0 gegen Benfica Lissabon.
Am Dienstag treffen sich beide Klubs am siebten Spieltag der Vorrunde in Lissabon, und wahrscheinlich wird niemand zurückdenken an den Langweiler von 2012. Eher schon an das erste Duell überhaupt der Granden von der Iberischen Halbinsel. Damals, im Mai 1961, duellierten sich Barça und Benfica im Berner Wankdorfstadion. Es ging um die Krone im europäischen Fußballzirkus, der sich noch Europapokal der Landesmeister nannte.
Es war ein ganz besonderes Finale, nämlich das erste ohne Real Madrid. Real hatte zuvor sämtliche fünf Ausspielungen des noch jungen Wettbewerbs gewonnen, aber diesmal war schon in der ersten Runde Schluss, ausgerechnet gegen den FC Barcelona. Das war aus politischer Sicht nicht ganz uninteressant. Real galt als Protegé des faschistischen Diktators Francisco Franco und Barça als das rebellische Gegenstück im roten Katalonien. Ein ähnlicher Hintergrund prägte auch das Finale von Bern, denn der Benfica zugetane portugiesische Machthaber António Salazar nutzte den Fußball gern zur Befriedung seines Volkes.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.
Benfica hatte zum ersten Mal überhaupt die Hauptrunde überstanden und dabei gleich das Endspiel erreicht. Verantwortlich dafür war der ungarische Trainer Béla Guttmann, ein Weltenbummler, den es über New York, Nikosia, Mailand und São Paulo nach Portugal verschlagen hatte. In Bern traf er auf drei seiner Landsleute. Für Barcelona kickten Zoltán Czibor und Sándor Kocsis, dazu der 1949 geflohene László Kubala, der inzwischen für die spanische Nationalmannschaft auflief.
Kubala war zunächst auch der überragende Mann eines Endspiels, das Barça zu Beginn komplett dominierte. Kocsis erzielte schnell das Führungstor. Weiter tobte der blau-rote Sturm, Benfica fand kaum aus der eigenen Hälfte heraus und drehte doch innerhalb von zwei Minuten das Spiel. Beide Male war Barças Torhüter Antoni Ramallets nicht ganz unschuldig. Erst verirrte er sich bei einem Ausflug durch den eigenen Strafraum, sodass Benficas Kapitän José Águas nur noch ins leere Tor vollenden musste. Kurz darauf warf er sich den Ball ins eigene Netz, und vorbei war es mit Barças Herrlichkeit.
Am Ende gewann Benfica 3:2 und läutete damit die erfolgreichste Ära der Klubgeschichte ein. Hauptdarsteller der folgenden Jahre war ein junger Stürmer, der aus Mosambik nach Lissabon gekommen war, im Finale von Bern aber noch nicht mitspielen durfte. Der junge Mann hieß Eusebio, der erste Weltstar des portugiesischen Fußballs, aber das ist eine andere Geschichte.
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