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Volkssolidarität: Eine Dame wird 80 Jahre
Brandenburgs Volkssolidarität feiert in der Potsdamer Schinkelhalle einen runden Geburtstag
Ihren 80. Geburtstag beging die brandenburgische Volkssolidarität (VS) mit einer großen Feierstunde in Potsdam. Dass sie immer noch und immer mehr gebraucht wird, haben ihr bei dieser Gelegenheit viele bestätigt. Nach wie vor ist die VS der größte Sozialverband im Bundesland. Ein Rückgang der Mitgliederzahlen und die Überalterung sind aber auch Tatsachen.
Als die Volkssolidarität vor zehn Jahren 70 Jahre alt wurde, gab sich bei der Feier noch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ein Stelldichein. Für den Empfang zum 80. Geburtstag hatte sich Woidke zwar angekündigt. Doch ließ er sich am Dienstagabend in der Potsdamer Schinkelhalle dann doch von Staatssekretär David Kolesnyk vertreten. Kolesnyk ist neu im Amt. Bis vor wenigen Wochen war er noch Generalsekretär der brandenburgischen SPD.
»Ich bin nicht Dietmar Woidke«, leitete der junge Mann wahrheitsgemäß sein Grußwort ein und dankte den vor ihm sitzenden Vertretern der Volkssolidarität dafür, »dass man sich immer auf Sie verlassen konnte«. Es sei bedeutend und kaum zu überschätzen, was der 1945/46 gegründete Verband unter dem Motto »Miteinander – Füreinander« für Menschen in Not geleistet habe. Seniorentreffs, Suppenküchen, Essen auf Rädern, Rentensprechstunden – die Initiativen seien vielfältig, die positive Wirkung eine bedeutende. »Wir brauchen heute den Zusammenhalt mehr denn je«, unterstrich Kolesnyk.
Die Brandenburger VS-Vorstandsvorsitzende Katharina Slanina, die zugleich Linke-Landesvorsitzende ist, forderte in ihrer Rede von der Politik, die Finanzierung der sozialen Arbeit nicht zu verringern, sondern möglichst auszuweiten. Die finanzielle Ausstattung müsse auskömmlich bleiben, wenn die VS ihre Aufgaben weiter erfüllen solle. Die Lebenserwartung der Brandenburger ist in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen. Nicht zuletzt das setzt das Thema Pflege auf die Tagesordnung.
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Slanina erinnerte daran, dass die Gründung der Volkssolidarität im Osten Deutschlands eine Antwort war auf die Not und das Elend der Nachkriegszeit. Zehn heutige Mitglieder der märkischen VS sind 70 Jahre oder länger dabei. Ihre Namen wurden bei der Veranstaltung verlesen. Es handelt sich durchweg um Frauen. Die Mitgliedschaft der Volkssolidarität ist auch insgesamt weiblich geprägt. Keine von den Geehrten konnte an diesem Abend in Potsdam dabei sein. Die Ehrennadel werde ihnen aber zugeleitet, wurde vom Podium aus versichert.
Ein Mann aber ragt als Einziger noch aus dem Gründungsjahr, kann also auf eine 80-jährige Mitgliedschaft bei der Volkssolidarität zurückblicken. Es handelt sich um Armin Lufer, der bei der Feier in der ersten Reihe saß. Er nahm die Glückwünsche auf der Bühne entgegen und sprach davon, dass er als 16-Jähriger 1945 Hilfe von der VS bekam. Das habe ihn seither veranlasst, auch seinerseits zu helfen. Rund 3000 Brandenburger bringen sich ehrenamtlich bei der Volkssolidarität ein. Der Sozialverband verfügt im Bundesland über 500 Ortsgruppen. Die Gesamtmitgliedszahl beträgt etwas mehr als 20 000. Sie ist in den vergangenen zehn Jahren um mehrere Tausend gesunken. Das Betreiben von Kindergärten und Seniorenheimen, von abrechenbaren sozialen Leistungen, erfährt durch die geringere Mitgliederzahl keine Einschränkung. Doch bis 1990 war ein Prinzip der Volkssolidarität, dass sich rüstige Senioren um die Hochbetagten kümmerten und im vorgerückten Alter dann selbst mit Betreuung rechnen durften.
Dieses Prinzip funktioniert in der Nachwendezeit allenfalls noch eingeschränkt. Allen Appellen der Politiker zum Trotz sind nicht ausreichend viele Menschen bereit, sich uneigennützig einzubringen. »Die Welt ist leider nicht so«, ergriff an diesem Abend auch die VS-Bundesvorsitzende Susanna Karawanskij das Wort. Sie war von 2018 bis 2019 brandenburgische Sozialministerin gewesen. Die Bedingungen, unter denen die VS heute tätig ist, konnte Karawanskij nicht uneingeschränkt loben. Vielleicht verwundere es manche, »dass es uns noch gibt«, sagte sie.
»Das Aufgabenheft ist voll. Uns braucht es immer noch.« Der Kampf gegen Einsamkeit im Alter müsse fortgesetzt werden. Die Tafeln für Bedürftige »haben an Bedeutung noch gewonnen«. Kürzungen bei den Sozialausgaben seitens der Bundesregierung seien zwar nicht beschlossen, stünden aber im Raum. Auch deshalb habe die VS den »Aufruf für einen starken Sozialstaat« unterschieben. Karawanskij lobte den in Brandenburg entwickelten »Pakt für Pflege« als vorbildlich und mögliche »Blaupause« für andere. Das Land habe »Millionen in die Hand genommen«. Sie riet, »erneut Millionen in die Hand zu nehmen«.
»Wir brauchen heute den Zusammenhalt mehr denn je.«
David Kolesnyk Staatssekretär
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