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AfD in Falkensee will Regenbogenfahnen verbieten
Falkensee wehrt sich gegen mit einem Bibelzitat verbrämten Angriff auf Vielfalt und Toleranz
Die AfD-Fraktion von Falkensee will Regenbogenfahnen an öffentlichen Plätzen und Gebäuden im Stadtgebiet verbieten. Der Antrag steht an diesem Mittwoch auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Mit diesem Vorstoß erreicht die AfD zunächst einmal das Gegenteil. Wenn die Stadtverordneten zu ihrer von 18 bis 22 Uhr angesetzten Sitzung in die Stadthalle kommen, werden sie dort auf eine Protestdemonstration treffen, bei der ganz gewiss etliche Regenbogenfahnen geschwenkt werden. Auch Linksfraktionschef Harald Petzold hat sich vorgenommen, eine solche Fahne mitzubringen.
Unterstützt wird der Protest vom hiesigen Bündnis gegen rechts, vom DGB-Kreisverband Havelland, vom evangelischen Kirchenkreis und der katholischen Gemeinde St. Konrad, von Grünen, Linke und SPD, von der Willkommensinitiative und dem Regenbogencafé der Stadt, der Ortsgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz sowie weiteren Vereinen und Initiativen.
Sie treffen sich um 17 Uhr vor der Stadthalle an der Scharenbergstraße 15. Die Veranstalter sehen in der Regenbogenfahne ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt und bewerten den Antrag der AfD als Angriff auf Demokratie, Menschenwürde und das respektvolle Miteinander.
Das die evangelische und die katholische Kirche mitmachen, hat eine besondere Bedeutung. Denn die AfD-Fraktion begründet ihren Vorstoß gegen Regenbogenfahnen unter anderem damit, dass der Regenbogen mit sieben Farben ein christliches Symbol sei, die von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transpersonen verwendete Regenbogenflagge aber nur sechs Farben zeige – und die Zahl sechs stehe in der Bibel für Unvollkommenheit und Sünde. Gefordert wird von der AfD eine Rückkehr zu christlichen Werten, die im Havelland historisch verwurzelt seien und »die Grundlage unserer Gesellschaft bilden«. Die Bibel warne deutlich vor dem Verstoß gegen die natürliche Ordnung der Geschlechter. Dazu zitiert der von AfD-Vizefraktionschef Rainer van Raemdonck unterzeichnete Antrag aus dem Alten Testament: »Eine Frau soll nicht Männersachen tragen und ein Mann soll nicht Frauensachen anziehen, denn wer das tut, der ist dem Herrn, deinem Gott, ein Gräuel.«
»Das hätte die AfD wohl gern: dass wir uns wieder alle aufregen und nur über sie und ihre totalitären Vergewaltigungsfantasien unserer offenen Stadtgesellschaft sprechen.«
Harald Petzold Linksfraktionschef
Das Zurschaustellen der Regenbogenflagge fördere eine Bewegung, die die traditionelle Familie untergrabe und außerdem nicht die Tatsache anerkenne, dass Männer und Frauen biologisch verschieden seien, heißt es. Dann ist es der AfD noch um kleine Kinder zu tun, deren gesunde Entwicklung angeblich durch Lesungen von Drag Queens und durch »Doktorspielräume« in der Kita gefährdet werde.
»Das ist ein abwegiger Versuch, die Gesellschaft zu spalten. Doch wir werden uns diesem Rückschritt in eine Gedankenwelt des tiefsten Mittelalters entschieden entgegenstellen«, sagt Antje Töpfer für die Veranstalter der Protestaktion. Töpfer war Ende vergangenen Jahres Staatssekretärin von Brandenburgs damaliger Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne).
Töpfer und Nonnemacher leben in Falkensee, genauso wie Ex-Landtagsvizepräsidentin Barbara Richstein (CDU). Richstein, die einst mit Ministerin Nonnemacher in Innenhof des Potsdamer Landtagsschlosses eigenhändig die Regenbogenflagge hisste, ist im Unterschied zu Töpfer und Nonnemacher jetzt auch Stadtverordnete in Falkensee.
»Das hätte die AfD wohl gern: dass wir uns wieder alle aufregen und nur über sie und ihre totalitären Vergewaltigungsfantasien unserer offenen Stadtgesellschaft sprechen«, weiß Linksfraktionschef Harald Petzold. »Nein! Diesen Gefallen werden wir ihr nicht tun und diesen Blödsinn einfach ablehnen und weg damit«, kündigt Petzold an. »Und danach werden wir uns mit den wirklichen Problemen unserer Stadt beschäftigen: zum Beispiel der Straßenbeleuchtung, der Bibliothek und der Verkehrssituation.«
Die Linke fordert die Stadtverwaltung auf, die Straßenlaternen regelmäßig zu überprüfen und notwendige Reparaturen zeitnah durchführen zu lassen. Denn Bürger sind wiederholt in die Sprechstunden der Kommunalpolitiker gekommen, um sich über die nicht funktionierende Beleuchtung etwa in der Karl-Marx-Straße sowie der Holbein-, Leistikow- und Feuerbachstraße zu beklagen, da bei teils schlechtem Zustand der Gehwege Unfallgefahr bestehe. Darüber hinaus stellt die Linksfraktion eine Anfrage, wie es um den geplanten Neubau für die Bibliothek bestellt ist. Die SPD und die Wählergruppe »Wir für Falkensee« wollen die Unfallgefahr am Fußgängertunnel des Bahnhofs Falkensee beseitigt sehen, in dem rücksichtslose Radfahrer nicht absteigen, sondern an den Fußgängern vorbeisausen.
In der Stadtverordnetenversammlung ist die siebenköpfige AfD-Fraktion genauso groß wie die SPD-Fraktion. Stärkste Kraft ist die CDU mit neun Köpfen. Die Grünen haben sechs Sitze, Linke, Freie Wähler und »Wir für Falkensee« je zwei Sitze, die FDP hat einen Sitz.
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