Was brauchen Berliner Mieter?

Der Berliner Mieterverein hat vor der Bundestagswahl klare Vorstellungen, welche Reformen nötig sind

  • Wibke Werner
  • Lesedauer: 5 Min.
Um in Berlin eine Wohnung zu finden, bleibt nichts unversucht. Bezahlbare Quartiere sind besonders knapp.
Um in Berlin eine Wohnung zu finden, bleibt nichts unversucht. Bezahlbare Quartiere sind besonders knapp.

Der Berliner Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt. Neuvertragsmieten liegen oft bei 14 bis 16 Euro pro Quadratmeter nettokalt, im Neubau sogar bei über 20 Euro. 2024 wurden nur 15 000 Wohnungen fertiggestellt, überwiegend Eigentumswohnungen oder im hochpreisigen Segment, das für viele Berliner*innen unerschwinglich ist. Das Angebot an Sozialwohnungen ist auf inzwischen knapp 90 000 geschrumpft und kann den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum nicht decken. Die Folge: Die Situation der Mieter*innen wird ausgenutzt durch die Umgehung der Mietpreisbremse, Mieterhöhungen und zunehmende Eigenbedarfskündigungen. Gleichzeitig breiten sich Geschäftsmodelle in der Stadt aus, die mit möblierter Kurzzeitvermietung oder dem Angebot luxuriöser Micro-Apartments das Maximum an Miete fordern. Auch die für die Einhaltung der Klimaschutzziele erforderliche Ertüchtigung des Gebäudebestandes wird unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht ohne Folgen für die Mieter*innen bleiben.

Wie sollte die neue Bundesregierung reagieren? Aus Sicht des Berliner Mietervereins wäre es fatal, die Wohnraumversorgung unreguliert den Marktmechanismen zu überlassen – Wohnraumversorgung ist Daseinsvorsorge! Dringend erforderlich sind Reformen im Mietrecht und ein grundlegender wohnungspolitischer Kurswechsel.

Mietpreisbremse

Seit 2015 gilt die Mietpreisbremse, nach der im Grundsatz bei Abschluss eines neuen Mietvertrags die Nettokaltmiete nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die Mietpreisbremse läuft bundesweit Ende 2025 aus. Die neue Bundesregierung muss deren Verlängerung direkt nach ihrem Antritt beschließen, denn für die Länder und Kommunen wird es eng: Die für die Anwendung der Mietpreisbremse erforderlichen Rechtsverordnungen in den Ländern und Kommunen benötigen Zeit. Auch wenn die Mietpreisbremse oft umgangen wird, ist sie das einzige verbleibende Instrument zur Regulierung der Angebotsmieten. Ihr Auslaufen wäre aus Sicht der Mietenden fatal. Um den Geschäftsmodellen der möblierten Kurzzeitvermietung Einhalt zu bieten, müsste der Anwendungsbereich der Mietpreisbremse auch auf diese Mietverhältnisse ausgeweitet werden.

Öffnungsklausel für einen Mietendeckel

Wirkungsvoller als die Mietpreisbremse wäre eine Öffnungsklausel im Bundesgesetz, die den Ländern die Möglichkeit eröffnet, in angespannten Wohnungsmärkten einen Mietendeckel einzuführen. Der Berliner Mietendeckel ist an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz gescheitert, während über die grundsätzliche Möglichkeit einer Mietpreisregulierung nicht entschieden wurde. Über die Länderöffnungsklausel könnten Länder und Kommunen auf steigende Mieten und damit verbundene Segregationsprozesse reagieren.

Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen

Sofern die Bundesländer keine gesetzgeberische Möglichkeit erhalten, mietpreisregulierende Instrumente zu erlassen, bleibt die Absenkung der Kappungsgrenzen vordringlichstes Thema. Im laufenden Mietverhältnis können Vermietende die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen, müssen allerdings die Kappungsgrenze beachten. Die Miete darf maximal 20 Prozent, in angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin maximal 15 Prozent in drei Jahren erhöht werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Denn die steigenden Mieten fließen in die Mietspiegel ein und lassen die ortsübliche Vergleichsmiete ansteigen, wodurch sich weiter Mieterhöhungsspielräume eröffnen. Dem muss durch die Absenkung der Kappungsgrenze auf 9 Prozent in drei Jahren begegnet werden.

Umwandlungsvorbehalt

Seit 2021 gilt eine Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Vermietende benötigen dafür die Zustimmung des Bezirksamts, die nur erteilt wird, wenn zwei Drittel der Mieter*innen bereit sind, ihre Wohnung selbst zu erwerben. Dies hat das Umwandlungsgeschehen deutlich reduziert. Die Regelung läuft Ende 2025 aus, eine geplante Verlängerung bis 2027 scheiterte am Bruch der Ampel-Koalition. In angespannten Wohnungsmärkten führt die Umwandlung oft zu Verdrängung durch Eigenbedarfskündigungen und Mieterhöhungen. Daher muss der Umwandlungsvorbehalt entfristet werden, um Mietwohnungen dauerhaft zu erhalten.

Vorkaufsrecht

Durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 wurde die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten stark eingeschränkt. Seither ist es nur noch auf sogenannte Schrottimmobilien anwendbar. Damit wurde den Bezirken ein wichtiges Schutzinstrument gegen Verdrängung und Spekulation genommen. Das Vorkaufsrecht muss wieder auf alle Wohngebäude in den Milieuschutzgebieten anwendbar sein. Zudem braucht es eine rechtssichere Regelung zur Preislimitierung: Der Vorkaufswert einer Immobilie soll sich grundsätzlich an dem zu erwartenden sozialen Ertrag orientieren, damit Bezirke und Kommunen Wohngebäude und Grundstücke zu fairen Preisen (re-)kommunalisieren können.

Schutz vor Eigenbedarfskündigungen

Mit Sorge betrachtet der Berliner Mieterverein die zunehmende Zahl von Eigenbedarfskündigungen. Nicht nur für die eigene Nutzung oder die der Kinder können Vermieter*innen Eigenbedarf geltend machen, sondern auch für Nichten/Neffen, Schwager/Schwägerinnen oder die Schwiegereltern. Es bedarf einer Beschränkung des berechtigten Personenkreises auf Verwandte ersten Grades. Vorgeschobener Eigenbedarf muss strikter geahndet und stärker sanktioniert werden. Vor allem sollte die Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen werden, wenn eine in eine Eigentumswohnung umgewandelte und von Mieter*innen bewohnte Wohnung erworben wird.

Absenkung der Modernisierungsumlage

Die energetische Sanierung von Gebäuden ist maßgeblich für die Erreichung der Klimaziele. Nach einer Modernisierung können Vermietende 8 Prozent der Investitionskosten auf die Miete umlegen. Trotz Kappung bei 2 beziehungsweise 3 Euro pro Quadratmeter (je nach Ausgangsmiete) überlastet dies viele Haushalte, zumal der Mieterhöhung meist nur geringe Einsparungen bei den Heizkosten gegenüberstehen. Mietende tragen die Kosten bislang allein. Die erhöhte Miete bleibt auch nach Amortisierung der Investition.

Eine gerechte Lastenverteilung ist notwendig: Fördermittel müssen erhöht und flexibilisiert, Vermietende zur Sanierung verpflichtet und die Modernisierungsumlage auf 3 Prozent der Kosten gesenkt werden. In Anspruch genommene Fördermittel können so bei den Vermietenden verbleiben. Angesichts der Tatsache, dass rund 84 Prozent der Berliner*innen und 52 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zur Miete wohnen, muss der Schutz der Mietenden zentrales Anliegen der neuen Bundesregierung sein.

Die Juristin Wibke Werner ist Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Sie gehört dem Arbeitskreis Mietspiegel bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an und ist seit 2023 im Präsidium des Deutschen Mieterbundes.

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