- Kultur
- Strategiespiele
»Ara«: Warenförmige Geschichte
Nicht so überzeugend: Das neue Globalstrategiespiel »Ara«
Nolans Gesetz ist ein Aphorismus, der oft dem Atari-Gründer Nolan Bushnell zugeschrieben wird: Die besten Spiele sind einfach zu lernen und schwer zu meistern. Ein einfacher Einstieg in die Spielmechaniken muss nahtlos in eine stetig fordernde Schwierigkeitsspirale münden. Was in den ersten Leveln noch leicht von der Hand ging, muss im weiteren Verlauf schwerer werden, um den Spielspaß langfristig aufrechtzuerhalten.
Diese Prämisse hat sich selbstverständlich auch das Entwicklerstudio Oxide Games aus Maryland mit seinem Projekt »Ara: History Untold« zu Herzen genommen. Mit dem im Herbst veröffentlichten Globalstrategiespiel wollten sie »Sid Meier’s Civilization«, dem Platzhirsch im Genre, Konkurrenz machen. Das hat nicht geklappt: Mit nur knapp über 4000 gleichzeitig Spielenden als Höchstwert auf der Spieleplattform Steam, steht »Ara« auf verlorenem Posten. Zum Vergleich: Das acht Jahre alte »Civilization« kommt derzeit immer noch auf über 50 000 regelmäßige Spieler. Das Spiel verkaufte sich insgesamt weit über 11 Millionen Mal.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Veröffentlicht vom Software-Giganten Microsoft ging »Ara« mit vielen Vorschusslorbeeren in den Verkauf. Mit der unfassbar hübschen wie auch detaillierten Aufmachung der Spielwelt, dem furiosen Ausbruch aus dem veralteten Hexagon-Gefängnis und der simultanen Umsetzung der einzelnen Spielzüge ist den Entwicklern tatsächlich ein Meilenstein gelungen. Allein die organische Karte wird noch lange im Gedächtnis bleiben. Wieso aber ist das Spiel trotzdem ein solcher Flop?
Das Spiel scheiterte, weil die Entwickler mit ihrer Entscheidung, auf ein komplexes Ressourcenmanagement mit Produktionsketten zu setzen, das große Strategieabenteuer auf einmal kleinteilig werden ließen. Der Versuch, in dem rundenbasierten Spiel das Maximum an Effizienz zu erreichen, raubt einem den letzten Nerv, statt zu motivieren. Hinzu kommt, dass die Benutzerschnittstelle nicht nur kein schöner Anblick, sondern auch noch extrem unübersichtlich ist.
Die Idee, mittels umfangreicher Warenketten zahlreiche strategische Entscheidungen treffen zu können, wird letztlich von der Masse der Möglichkeiten erstickt. Diese Art von Spieltiefe passt besser zu einer Wirtschaftssimulation als zu einem geopolitischen Strategiespiel. Das kleinteilige Management erhöht zwar potenziell den Wiederspielwert, erschwert aber den Spielfluss nachhaltig. Die meiste Zeit über frimmelt der Spieler an der bestmöglichen Verwendung knapper Ressourcen in seinen Städten, statt der gesamten Welt seinen Stempel aufzudrücken.
Auch die Möglichkeiten, sich mit seinen Nachbarn diplomatisch ins Benehmen zu setzen, sind sehr eingeschränkt. Langfristig stellen die vom Computer gelenkten Gegenspieler weder ernst zu nehmende Antagonisten noch bereitwillige Handelspartner dar.
Im Februar erschient nun der siebte Teil der »Civilization«-Reihe. Doch diese Ankündigung verfing nicht sonderlich beim Zielpublikum. Viele Neuerungen stoßen hier bei den langjährigen Fans auf wenig Gegenliebe. Den größten Aufschrei gab es, weil es nicht mehr die Möglichkeit gibt, ein und dieselbe Zivilisation durch die gesamte Spielzeit zu führen, also von der Steinzeit bis zur Moderne.
Die Änderung dieser grundlegenden Spielmechanik stellt einen weiteren Versuch dar, das größte Dilemma des Genres zu umschiffen: Je fortgeschrittener ein Spieldurchlauf, desto klarer ist der Ausgang. Die letzten Runden schleppen sich häufig dahin, und der Spielspaß bleibt auf der Strecke. Um die Spannung über die gesamte Spieldauer zu erhalten, opfert »Civilization« nun eine grundlegende Formel bisheriger Globalstrategiespiele. Im Sinne von Nolans Gesetz ist es zumindest einen Versuch wert.
»Ara: History Untold«, Oxide Games, 59,99 Euro
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.