Berlin: TVO wird teurer – um das Zehnfache

Weil Bundesfördermittel entfallen, steigen die TVO-Kosten von 37 Millionen Euro auf 325 Millionen Euro

So könnte die TVO nach den Vorstellungen eines Architektenbüros einmal aussehen.
So könnte die TVO nach den Vorstellungen eines Architektenbüros einmal aussehen.

Das Straßenbauprojekt Tangentialverbindung Ost (TVO) kommt das Land Berlin deutlich teurer zu stehen als ursprünglich geplant – und zwar mindestens um das Zehnfache. Ein Großteil der eigentlich eingeplanten Fördermittel vom Bund entfallen demnach. Das hat die Tageszeitung »Tagesspiegel« durch eine Anfrage an die Senatsverkehrsverwaltung herausgefunden. Demnach können die Bundesmittel aus dem Programm »Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsinfrastruktur« nur für die Planung, nicht aber für den Straßenbau selbst verwendet werden.

Weil der Eigenanteil des Landes Berlin damit von knapp zehn Prozent auf fast 90 Prozent ansteigt, erhöhen sich die Kosten kräftig: Statt ursprünglich geplanten 37 Millionen Euro muss das Land jetzt mindestens 325 Millionen Euro auf den Tisch legen. Real dürften die Kosten wohl noch höher ausfallen: Wie die Senatsverkehrsverwaltung in einem Schreiben an die Mitglieder des Hauptausschusses mitteilt, basiert die Kostenkalkulation noch auf den Baukosten von 2021. Rechnet man die seitdem gestiegenen Preise ein, dürften die Kosten auf über 400 Millionen Euro steigen. Damit nicht genug: »Würde die aktuelle Baupreisinflation im derzeitigen Tempo fortgesetzt werden, müsste die Kostenschätzung noch weiter nach oben korrigiert werden«, heißt es in dem Schreiben der Senatsverwaltung. Dazu kämen weitere Kosten, die sich aus Auflagen der Baubehörden ergeben könnten, so die Finanzexperten der Verkehrsverwaltung.

Neben der Autobahn A100 ist die TVO wohl das kontroverseste Straßenbauprojekt Berlins. Die vierspurige Straße soll eine neue Verbindung zwischen den Ortsteilen Köpenick und Marzahn schaffen und das dortige Straßennetz entlasten. Erste Planungen wurden schon während der SED-Regierungszeit in Ostberlin gemacht, aber das Projekt kam nur langsam voran. Seit November 2023 läuft das Planfeststellungsverfahren.

»Würde die aktuelle Baupreisinflation im derzeitigen Tempo fortgesetzt werden, müsste die Kostenschätzung noch weiter nach oben korrigiert werden.«

Senatsverwaltung für Verkehr, Mobilität und Umwelt

Für die TVO sollen 15,8 Hektar Waldfläche in der Wuhlheide gerodet werden. Vor allem deshalb ist die Planung seit Jahren von Protesten begleitet. Im Mai 2023 hatten Aktivisten ein Waldstück besetzt und ein Protestcamp aus Baumhäusern errichtet, das allerdings nach kurzer Zeit von der Polizei wieder geräumt wurde.

Es überrascht daher nicht, dass die schon immer kritischen Grünen in Anbetracht der gestiegenen Kosten lieber auf das Projekt verzichten würden. »Der Senat muss eingestehen, dass die bisher geplante Förderung vom Bund nicht mehr realistisch ist«, heißt es in einer Pressemitteilung des Grünen-Kreisverbands Marzahn-Hellersdorf. »Es ist unredlich, die Menschen im Biesdorfer Siedlungsgebiet Jahr für Jahr mit der vagen Hoffnung auf die TVO im Ungewissen zu lassen«, wird der Kreissprecher Max Linke zitiert.

Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, spricht gegenüber der »Berliner Morgenpost« sogar von einer »völlig aus der Zeit gefallenen Betonschneise«. Der Senat wolle »mehrere hundert Millionen Euro Steuergeld für ein paar Kilometer Schnellstraße ausgeben«. Der Senat könne auch den Rad- und Schienenverkehr ausbauen, um den Autoverkehr zu reduzieren, fordern die Grünen.

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So eindeutig will sich Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, gegenüber »nd« nicht äußern. »Es muss jetzt Klarheit von beiden Seiten geschaffen werden«, sagt er. Der Bund müsse erklären, warum er das Projekt nicht mehr finanziere. Die Erklärung, dass die Gelder nur für die Planung gedacht seien, stellt Ronneburg nicht zufrieden: »Das ist doch widersinnig, einen Förderbescheid auszustellen, wenn man dann den Bau nicht finanziert. Jeder Senat hat seit Jahren mit der Bundesförderung gerechnet und geplant.« Ohne die Förderung vom Bund sieht Ronneburg schwarz für die TVO. »Anders wäre das Projekt nicht refinanzierbar«, sagt er.

Für Ronneburg ist es kein Widerspruch, Straßen- und Bahnverkehr gleichermaßen zu fördern. »Unser Mobilitätskonzept war immer: TVO auf Straße, Schiene, Radweg«, sagt er. Schon seit DDR-Tagen ist parallel zur geplanten TVO-Streckenführung eine Trasse für den Bahnverkehr reserviert. Für die gefällten Bäume seien sowohl trassennah als auch -fern umfassende Renaturierungsmaßnahmen geplant.

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