Deutsche Bahn: Gewerkschafter in der Zwickmühle

Elmar Wigand kommentiert die aktuelle Tarifauseinandersetzung bei der Bahn

  • Elmar Wigand
  • Lesedauer: 3 Min.
Tarifauseinandersetzung – Deutsche Bahn: Gewerkschafter in der Zwickmühle

Die aktuelle Tarifauseinandersetzung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dürfte interessant werden. Vor allem die Forderung nach einem exklusiven »EVG-Zusatzgeld« (500 Euro Bonuszahlung nur für die eigenen Mitglieder) ist aus gewerkschaftlicher Sicht problematisch. Zudem ist es nach den Grundregeln der strategischen Konfliktführung ein Kardinalfehler, sich mit der Bundestagswahl am 23. Februar selbst eine Deadline zu setzen. Das Management der Deutschen Bahn (DB) braucht momentan nur zu verzögern oder sich zu verweigern.

Angesichts eines drohenden CDU-Wahlsiegs »bat die EVG um vorgezogene Verhandlungen«. Denn mit einer Regierung unter Führung der Union droht die Aufspaltung der DB in Schiene und Transportverkehr, was die EVG im Gegensatz zur konkurrierenden Lokführergewerkschaft GDL vehement ablehnt. Zudem steht DB Cargo – auch aufgrund von EU-Regulierung – vor der Pleite. Angesichts drohender Massenentlassungen fordert die EVG daher eine Beschäftigungssicherung bis 2027.

Wenn eine Gewerkschaft »um Verhandlungen bitten« muss, anstatt sie zu erzwingen, ist das ein ganz schlechtes Zeichen. Wenn man einerseits aus Angst vor der CDU getrieben ist, andererseits aber in der heißen Phase des Wahlkampfs gezwungen werden kann, dieser in die Karten zu spielen, grenzt das an Harakiri. Für das CDU/AfD/FDP-Lager wäre ein Bahnstreik nämlich ein willkommenes Fressen. Derzeit freuen sich die Reichen, dass gegen angeblich arbeitsunwillige Arbeitslose und Einwanderer gehetzt wird. Zur Abwechslung kämen vermeintlich »sture Gewerkschafter« und »Besitzstandswahrer« mit »Scheuklappen« wie gerufen, die der deutschen Wirtschaft so »immensen Schaden zufügen«, »unschuldige« Pendler als »Geiseln« nähmen, ihre »Macht missbrauchen« und das Land »im Chaos« versinken lassen ...

Elmar Wigand
elmar wigandfoto: privat

Elmar Wigand ist Gründungsmitglied von Aktion Arbeitsunrecht – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb.

Die Zulässigkeit der diskriminierenden Exklusivzahlungen, wie sie die EVG fordert, war lange Zeit sogar juristisch umstritten. Das ist sie jetzt nicht mehr. Sie waren eine Randnotiz, bis die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) im vergangenen Jahr mit einem ersten Flächentarifvertrag die Schleusen öffnete. Um in den Genuss solcher Boni zu kommen, müssen die Beschäftigten ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft gegenüber dem Unternehmen offenlegen. Das untergräbt nicht nur die Koalitionsfreiheit. Es ist zudem ein Grundrecht, dass ich meinem Arbeitgeber nicht mitteilen muss, wie und wo ich organsiert bin. Im Streikfall ist es von Vorteil, wenn das Unternehmen über die tatsächliche Verankerung der Gewerkschaft im Unklaren ist. Und die Geschichte lehrt: Bei Entlassungswellen werden Mitglieder kampfbereiter Gewerkschaften als Erste gefeuert.

Der letzte Tarifkonflikt bei der Bahn war mit ambitionierten Warnstreiks gestartet und endete im August 2023 mit einem »blauen Auge für die EVG-Führung«. Die Lage ist aktuell nicht einfacher geworden.

In der ersten Verhandlungsrunde bot die DB der EVG Ende Januar 2025 magere vier Prozent Lohnsteigerung bei einer Laufzeit über drei Jahre. Das bedeutet selbst bei einer moderaten Inflation von nur zwei Prozent einen erneuten Reallohnverlust. Ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten.

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