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Mosambik: Chapo setzt den Hebel an
Mosambiks Präsident will mit populären Maßnahmen das Land befrieden
Geduld und Vertrauen der Bevölkerung Mosambiks in die Regierung von Daniel Chapo sind begrenzt. Das wurde zu Wochenbeginn sichtbar. Nach fast zweimonatiger Pause sollten wieder Mautgebühren an den Hauptzugangspunkten nach Maputo erhoben werden. Aus Protest errichteten Anwohner*innen Barrikaden in der Nähe der Mautstellen und brachten den Verkehr vollständig zum Erliegen.
Mitte Januar umschrieb Präsident Daniel Chapo seine erste Regierungserklärung mit »Vamos trabalhar« – »jetzt an die Arbeit«. Er weiß, warum. Um die angespannte Situation ansatzweise zu beruhigen, nach 300 Toten, Hunderten Verletzten und Tausenden Verhafteten seit seinem fragwürdigen Wahlsieg im Oktober 2024, braucht er rasch Vorzeigbares. Entsprechend wurden erste Schritte verkündet: Darunter fallen kleine, aber populäre Maßnahmen, wie den Kaufstopp von Autos für Regierungsmitglieder oder größere Ankündigungen, keine weiteren Stellen in der öffentlichen Verwaltung zu schaffen.
Mehr Effizienz in der Bürokratie
Überhaupt scheint die Bürokratie ein Hebel für Chapo zu sein, steht sie doch für Ineffizienz, Missmanagement bei der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur bei gleichzeitiger Bereicherung vieler Mitglieder der Regierungspartei Frelimo. Daher soll eine staatliche Beschaffungsstelle geschaffen werden, um öffentliche Vergaben zu kontrollieren und Korruption vorzubeugen.
Die größte Herausforderung liegt in der Bekämpfung sozialer Ungleichheit und Armut. Und hier nimmt der Aktionismus Chapos leider ab. In seiner Antrittsrede sprach er allgemein über Maßnahmen zur Modernisierung der Wirtschaft, Stärkung der Berufsbildung oder die Unterstützung von Bauern. Milissão Nuvunga, Direktor der mosambikanischen NGO Center for the Study of Peace, Conflict and Welfare, betonte gegenüber »nd«: »Die Ankündigungen von Chapo schauen nur auf die Makroebene. Die Protestierenden haben aber soziale Probleme wie unzureichende Wasserversorgung oder sind mit hohen Preisen konfrontiert. Der sozialen Realität nimmt sich Chapo nicht an.«
Widersprüchlich ist auch sein Agieren auf anderer Ebene. So kündigte er an, Verträge mit internationalen Investoren neu zu verhandeln, nahm aber die geplanten und bereits begonnenen Flüssigerdgasprojekte mit den Multis TotalEnergies, ExxonMobil und Eni in Norden Mosambiks explizit aus. Ähnliches ist derzeit in der juristischen Strafverfolgung von Sicherheitsbehörden zu beobachten. Zwar wurde Polizeichef Bernardino Rafael entlassen, der für seine aggressive Haltung gegenüber Demonstrant*innen, für Menschenrechtsverletzungen und die Tolerierung von Korruption berüchtigt ist, aber eine weitergehende Untersuchung hin zu einer Anklage ist derzeit nicht vorgesehen.
»Sie sollten nicht ungestraft ihren Ruhestand genießen«, kritisieren daher Vertreter*innen der Zivilgesellschaft wie Zenaida Machado von Human Rights Watch. Auch Nuvunga betont, dass unter Chapo nichts angestoßen wurde, damit sich der einfache Bürger gegen Willkür von Staatsbediensteten zur Wehr setzen kann. Nach den Demonstrationen mit vielen Übergriffen eine oft geäußerte Forderung.
Chapo hat keine Hausmacht in der Frelimo
Das zögerliche Verhalten liegt an der Zwickmühle, in der Chapo sich befindet. Zum einen muss er einen sichtbaren Bruch mit der alten Regierung seiner Partei Frelimo vollziehen, um der Bevölkerung einen Neustart zu signalisieren. Er gibt sich technokratischer, jünger und dynamischer als die bisherige Frelimo-Machtgeneration mit ihrer Verquickung von Staat, Wirtschaft und Sicherheitskräften. Mit Verteidigungsminister Cristóvão Artur Chume wurde nur ein Minister aus der Vorgängerregierung erneut ernannt. Im Umkehrschluss kann er jedoch auf keine Hausmacht innerhalb der Partei bauen, denn Chapo war wie alle potenziellen Frelimo-Präsidentschaftskandidaten ein Kompromiss, wie Nuvunga ausführt. Die Granden der Frelimo werden Chapo kritisch beäugen. Mitte Februar wird sich das Zentralkomitee zur Wahl des Parteivorsitzenden und des Generalsekretärs treffen. Hier wird sich zeigen, wie fest der Präsident im Sattel sitzt.
Auf der anderen Seite steht die politische Opposition, angeführt vom unterlegenen Kandidaten Venâncio Mondlane, der sich selbst als rechtmäßigen Präsidenten sieht. Er hat seine Anhänger*innen aufgerufen, während der ersten 100 Tage der Amtszeit von Chapo Proteste auf kleiner Flamme fortzuführen. Jedoch präsentierte er Forderungen an die Regierung wie Beendigung der Gewalt gegen Demonstrant*innen, Freilassung von Tausenden und Entschädigung von Opfern der Unruhen und ihrer Familien. Ein Dialog zwischen Mondlane und Chapo scheint derzeit ausgeschlossen. Sollte Chapo nicht schnell ökonomische, soziale und politische Resultate liefern, werden die Demonstrationen wieder aufflackern. Die Proteste gegen die Mautgebühren lieferten dafür einen Vorgeschmack.
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